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Liebe Gemeinde,
An dieses Erlebnis dachte ich, als ich im Johannesevangelium las, wie Jesus zwei Männer, die seinen Weg kreuzten, fragte: „Was sucht ihr?“ Ob er erkannte, dass sie sich wie verirrt im Wald fühlten? Johannes 1,35-39
Was sucht ihr?
Die zwei Männer, die Jesu Weg kreuzten, kamen vom Täufer Johannes. Sie hatten ihn eine Zeitlang begleitet und von ihm gelernt. Sie hatten sich von ihm im Jordan taufen und damit alles abwaschen lassen, was sie von Gott trennte, Lieblosigkeit, Egoismus, Gleichgültigkeit gegenüber Gott. Nun waren sie bereit für einen Neuanfang, aber wie sollte das gehen? Mit ihrer Suche waren sie bei Johannes, dem Täufer, noch nicht am Ende. Kommt und seht
Doch Jesus antwortete nicht direkt. Er nannte keine Adresse, was ja auch naheliegt, da er umherzog und sich von gastfreundlichen Menschen aufnehmen ließ. Er lud die beiden ein, mit ihm mitzugehen und sich selbst ein Bild davon zu machen, wie, wo und aus welcher Kraft er lebte. Der Evangelist berichtet, dass die Männer wirklich mit Jesus mitgingen und bis 16 Uhr bei ihm blieben. Merkwürdig, dass diese Uhrzeit erwähnt ist, zeichnet sich doch das Johannesevangelium dadurch aus, dass keine einzige Bemerkung zufällig oder ohne Grund gemacht ist. Ich las, dass zur damaligen Zeit 16 Uhr der Zeitpunkt war, an dem man Gäste nicht mehr nach Hause schickte. Es wurde dort früher dunkel als bei uns, es gab keine Straßenleuchten, und bei Nacht lauerten viele Gefahren. Wenn Gäste um diese Zeit im Haus waren, bot man ihnen ein Nachtlager an. Vielleicht erklärt sich die Uhrzeit so einfach. Sie deutet an, dass die beiden nicht nur zum Nachmittagskaffee mit Jesus zusammensaßen, sondern über Nacht blieben, ja ganz blieben. Sie sind mit Jesus mitgekommen, haben gesehen, wie er wirkte und haben beschlossen, mit ihm zu ziehen. Ob sie damit am Ziel ihrer Suche waren? Wohl kaum, doch sie hatten erkannt, dass sie auf dem richtigen Weg waren und Jesus ihnen helfen würde bei der Suche. Ich frage mich, was diese beiden Männer mit mir zu tun haben. Ich erkenne mich in ihnen wieder. Ja, ich suche auch Halt, Orientierung, will zugehörig sein und mich zuhause fühlen. Ich brauche Halt in den Fragen des Alltags, einen Stärkeren, der vorangeht und mir Mut macht, ihm zu folgen. Ich sehne mich nach einem anstrengenden Tag auszuruhen und mich behütet zu wissen. Jesus lädt mich ein, zu ihm zu kommen und zu sehen. Ich kann mich öffnen und darauf vertrauen, dass er sich mir zeigen wird, mich überraschen wird, mich zu Menschen führt, die mich verstehen und mir weiterhelfen können. Das hat Auswirkungen in meinem Alltag. Ich komme zu Jesus auf unterschiedlichen Wegen. Die Bibel: Sie ist voller Berichte, wie Gott Menschen nahekam, wie sie seine Nähe suchten, wie sie sich aus seiner Nähe entfernten, wie Gott zu ihnen sprach. Ich lese die Berichte von Jesus, denn in ihm erkenne ich Gottes Wesen am deutlichsten. Was sehe ich? Da ist die Frau an einem einsamen Brunnen in Samarien. Jesus steht an diesem Brunnen, da kommt sie dazu. Ein Gespräch entspinnt sich. Wie zufällig kommt Jesus auf die Lebensgeschichte dieser Frau zu sprechen mit allen Tiefen und Verletzungen. Sie – so wird es deutlich – ist eine Suchende, sie sucht Zugehörigkeit, Abschließen mit der Vergangenheit, einen Neubeginn. Jesus bietet ihr Wasser des Lebens an, seine Gemeinschaft, Gottes Gegenwart, und sie nimmt dieses Wasser, sie vertraut Jesus und durchläuft eine sichtbare Veränderung. Eben noch war sie die Ausgeschlossene, die allein zum Brunnen kam, weil keine mit ihr reden wollte. Jetzt rennt sie voller Begeisterung ins Dorf und erzählt von Jesus ohne irgendwelche Scheu. Und die Leute glauben ihr und kamen ebenfalls zu Jesus. Sie hat die Seite gewechselt und lebt nun aus Gottes Kraft, mit seinem Mut und seiner Begeisterung (Johannes 4,1-42). Diese Geschichte macht mir Mut. Ich stehe mit der Frau am Brunnen und Jesus bietet mir lebendiges Wasser, das den Durst stillt, an, ich darf es nehmen. Christen: Heute können wir ja nicht mehr mit dem menschgewordenen Gottessohn durch die Lande ziehen. Doch wir können Christen zusehen, die mit ihm leben. Eine Frau erzählte mir von ihrem Glaubensweg. Sie wuchs in einer Familie auf, in der niemand an Gott glaubte. Die Eltern hatten schlechte Erfahrungen gemacht und meinten, dass Glaube nur zu Unterdrückung führte. Aber sie hatte eine Freundin, die in einem christlichen Elternhaus aufwuchs, in den Kindergottesdienst ging und sie oft mitnahm. Ihr Interesse wuchs. Sie nahm am Religionsunterricht teil, fing an zu beten und bekam von Gott Antwort. Die Menschen hatten sie neugierig auf Jesus gemacht. Sie erfuhr bei ihnen Liebe und Annahme, das überzeugte sie. Vielleicht sind wir, die wir diesen Gottesdienst besuchen, nicht die elementar Suchenden, dann könnten wir die sein, die andere einladen: Komm und sieh. Die nicht nur zu einer christlichen Veranstaltung einladen, sondern am Leben teilhaben lassen, ganz selbstverständlich wie ein Familienmitglied. Eine Kleingruppe: Schmerzlich vermissen wir in diesen Corona-Zeiten unsere Kleingruppen. Wie gut tut es, sich mit 3 oder 4 Leuten auszutauschen über die Fragen des Lebens, unser Suchen, unsere Zweifel und unsere Anliegen. Wir merken, dass wir eine vertraute Gruppe von Menschen brauchen und dass es offensichtlich jetzt Eigeninitiative braucht, um mit anderen in Kontakt zu kommen. Da sind wir aufgefordert, einen Schritt auf jemand anderes zuzugehen: „Hast du Interesse, mit mir in einen Austausch zu kommen? Würdest du mit mir einmal in der Woche eine halbe Stunde telefonieren? Hast du Lust auf einen regelmäßigen Austausch-Spaziergang? Wollen wir uns ein Buch zum gemeinsamen Lesen vornehmen? Kommen und Sehen ist nicht wie Duschen. Da stelle ich mich in die Duschkabine, lasse das Wasser über den Körper fließen und bin anschließend sauber, das Wasser fließt ab und ist nicht mehr gesehen. Duschen wäre so wie der wöchentliche Gottesdienstbesuch, man lässt es über sich ergehen, fühlt sich anschließend gereinigt und macht weiter wie bisher. Kommen und sehen ist eher wie trinken. Das Wasser, dass Jesus anbietet verschwindet nicht, sondern setzt Prozesse in Gang. Wir werden gestärkt, bekommen Kraft, neue Impulse, uns zu verändern und neue Ziele in den Blick zu bekommen. Johannes 1,40-42
Andreas, einer der beiden Männer, spürt diesen Impuls Jesu, zu seinem Bruder zu gehen, und ihn einzuladen: „Komm und sieh!“ Faszinierend ist nun, dass Jesus Simon schon mit Namen begrüßt. Auch das ist keine absichtslose Bemerkung des Evangelisten, sondern drückt eine tiefe Wahrheit aus. Jesus tritt nicht erst dann auf die Bühne, wenn wir ihn suchen, nach ihm fragen, uns ihm nähern. Er kennt uns schon vorher, er wartet auf uns, bereitet uns vor auf die Begegnung mit ihm. Das entlastet. Andreas muss seinen Bruder nicht lange bearbeiten. Jesus hat schon längst die Wege für Simon geebnet. Ich muss nicht krampfhaft andere überzeugen, sich endlich Jesus zu öffnen. Das Entscheidende tut Jesus selbst. Und wenn ich beim anderen spüre, dass er gerade nicht sucht, nicht kommen und sehen will, kann ich einen Schritt zurücktreten. Dann wird Jesus weiter an ihm wirken, auch ohne mich. Für die Frau, die in ihrer Kindheit über die Freundin Jesus kennengelernt hatte, war es eine wichtige Erkenntnis, dass Jesus schon lange mit ihr und ihrer Familie unterwegs war und unterwegs bleiben wird. Es ist für sie ein Nachhause-Kommen und sie vertraut darauf, dass auch ihre Familie irgendwann dieses Zuhause findet. „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen“, spricht der Herr. (Jeremia 29,13-14) Cornelia
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