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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Was wir von uns preisgeben,
muss unseren eigenen Erfahrungen entsprechen. Wie wir Christus erlebt haben,
prägt unsere Ausstrahlung. Solange wir uns dieser Erfahrung gewiss
sind, geraten wir nicht in Versuchung, christliche Kirche zu spielen, sondern
wir sind Kirche Jesu Christi.
Eine wichtige Erfahrung mit Jesus ist, dass er Orientierung für Suchende ist. Sehr anschaulich wird dieser Zugang in der Begegnung Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen beschrieben. Johannes 4,5-26 (außer 8.12.22.24) Unterwegs kam Jesus in die Nähe des Dorfes Sychar, das nicht weit von dem Feld entfernt liegt, das Jakob einst seinem Sohn Josef vererbt hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war von dem langen Weg müde geworden und setzte sich an den Brunnen. Es war gegen Mittag. Da kam eine samaritische Frau zum Wasserholen. Jesus sagte zu ihr: »Gib mir einen Schluck Wasser!« Die Frau antwortete: »Du bist ein Jude, und ich bin eine Samariterin. Wie kannst du mich da um etwas zu trinken bitten?« - Die Juden vermeiden nämlich jeden Umgang mit Samaritern. Jesus antwortete: »Wenn du wüsstest, was Gott den Menschen schenken will und wer es ist, der dich jetzt um Wasser bittet, dann hättest du ihn um Wasser gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.« »Herr, du hast doch keinen Eimer«, sagte die Frau, »und der Brunnen ist tief. Woher willst du dann das lebendige Wasser haben? Jesus antwortete: »Wer dieses Wasser trinkt, wird wieder durstig. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird in Ewigkeit keinen Durst mehr haben. Ich gebe ihm Wasser, das in ihm zu einer Quelle wird, die bis ins ewige Leben weitersprudelt.« »Herr, gib mir von diesem Wasser«, bat die Frau, »dann werde ich keinen Durst mehr haben und muss nicht mehr hierher kommen, um Wasser zu schöpfen.« Jesus sagte zu ihr: »Geh und bring deinen Mann her!« »Ich habe keinen Mann«, sagte die Frau. Jesus erwiderte: »Es stimmt, wenn du sagst: 'Ich habe keinen Mann.' Fünfmal warst du verheiratet, und der, mit dem du jetzt zusammenlebst, ist nicht dein Mann. Da hast du die Wahrheit gesagt.« »Herr, ich sehe, du bist ein Prophet«, sagte die Frau. »Unsere Vorfahren verehrten Gott auf diesem Berg. Ihr Juden dagegen behauptet, dass Jerusalem der Ort ist, an dem Gott verehrt werden will.« Jesus sagte zu ihr: »Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, in der ihr den Vater weder auf diesem Berg noch in Jerusalem anbeten werdet. Aber die Stunde kommt, ja sie ist schon gekommen, da wird der Heilige Geist, der Gottes Wahrheit enthüllt, Menschen befähigen, den Vater an jedem Ort anzubeten. « Die Frau sagte zu ihm: »Ich weiß, dass der Messias kommen wird, der versprochene Retter. Wenn er kommt, wird er uns alles sagen.« Jesus antwortete: »Er spricht mit dir; ich bin es.« Bei dieser umfangreich beschriebenen Jesus-Begegnung fällt Verschiedenes auf:
Was hier beschrieben wird, ist Lebenserfahrung nicht nur damals, sondern auch heute. Wir haben Durst. Wir brauchen nicht nur Wasser und Brot, sondern Annerkennung, Zuwendung, Liebe, Geborgenheit, einen Sinn für unser Leben. Eine Sängerin dieser Tage, Frida Gold, bringt es in ihrem Song „Wovon sollen wir träumen“ so zum Ausdruck: „Ich bin mitten drin und geb mich allem hin. Aber schaut man hinter die Kulissen, dann fängt es immer so an. Ich schlafe immer zu lang, kriegs nicht hin und fühl mich deshalb beschissen. Ich erkenn mich nicht in den Schaufenstern, entdecke nichts, was mir gefällt. Ich brauch die schönsten Kleider und die stärksten Männer und eine Hand, die meine Hand für immer festhält. Ich fühl mich leer, und die Nacht liegt schwer so schwer auf meinen Schultern. All die Hoffnung, die war, ist schon lang nicht mehr da, schon wieder ne Nacht einfach vertan …“ „Ich brauch eine Hand, die meine Hand für immer festhält“, dieser Aufschrei richtet sich nach einem, der verlässlich ist und niemals loslässt. Welcher Mensch kann das leisten? Brunnenwasser löscht den Lebensdurst nicht Wir versuchen, unseren Durst mit natürlichem Brunnenwasser zu stillen. Die Frau aus Samarien hatte ihren 6. Mann, Frida Gold singt von schönen Kleidern und starken Männern. Andere bauen sich ein Denkmal, schaffen eine Lebensleistung, die über ihren Tod hinaus an sie erinnert. Sie wollen beruflich Meilensteine setzen oder einmal in ihrem Leben im Fernsehen sein. Für manche mag die Familie den Durst zu stillen, sie sehen in den Kindern ihren Lebenssinn. Ein Anderer sucht in der Liebe nach Lebenssinn. Seine Partnerin soll ihm alles sein, Ergänzung, Halt, Lebensversicherin und Gesellschafterin. Vielleicht dauert es eine Zeit, bis wir merken, dass unser Durst nie gestillt wird. Das Denkmal macht nicht wirklich froh. Die Kinder gehen eigene Wege und lassen die Eltern einsam zurück. Die Ehe wird langweilig. In solchen Zeiten des Dürstens nach mehr als Brunnenwasser sitzt Jesus schon auf dem Brunnenrand. Er fragt uns nach unserem Leben, holt uns da ab, wo wir sind: in unseren beruflichen, familiären, beziehungsmäßigen Durstzeiten. Und er bietet sich selbst an. Ihn kennen zu lernen, mit ihm den Lebensweg zu gehen, heißt mehr als den Durst gestillt zu bekommen. Das Woher und Wohin unseres Lebens wird geklärt, Jesus bietet Halt und Geborgenheit. Er antwortet auf Frida Golds Liedstrophe „Wovon sollen wir träumen? Woran können wir glauben? Wo führt das hin? Wo sind wir zu Haus?“ Jesus sagt: „Bei mir bist du zu Hause, an mich kannst du glauben, zu mir führt dein Weg.“ Jesus ist immer schon zuerst da, wenn wir Sättigung unseres Durstes suchen. Er lädt uns ein, uns zu ihm auf den Brunnenrand zu setzen. Und das immer wieder, denn die Beziehung zu Jesus ist ein lebenslanger Glaubenskurs. Die Frau, so erfahren wie später aus der Bibel, lässt ihren Krug stehen. Das Brunnenwasser ist ihr nun egal, denn sie hat lebendiges Wasser bei Jesus geschöpft. Da kann kein Brunnenwasser mehr mithalten. Die Frau rennt in die Stadt und erzählt den Leuten, die sie wegen ihres Lebenswandels meiden, von Jesus, dem Durstlöscher. Ihre Jesus-Erfahrung lässt sie loslaufen, Grenzen überwinden und anderen von Jesus erzählen. Ich habe mich gefragt, ob ich diese Jesus-Erfahrung auch gemacht habe. Mir ist eine Situation in Erinnerung gekommen, in der ich mich völlig allein fühlte. Für ein Seminar an der Uni hatten wir als Hausaufgabe Psalm 6 zu bearbeiten. Jesus ist mir in diesem Psalm persönlich begegnet. Es war wie bei der Frau am Jakobsbrunnen. Er war schon vor mir da. Er nahm mich wahr und sprach mit mir. Er bot sich selbst an als verlässlichen Halt und kraftvollen Wegbereiter. Ich brauchte nur zufassen. In meinem Beten und Flehen antwortete er mir. Er hielt und hält bis heute. Besonders Christen, die
nicht mit dem christlichen Glauben in einer christlichen Familie und Gemeinde
aufgewachsen sind, erzählen mir von solchen Brunnen-Begegnungen mit
Jesus. Sie suchten nach Antworten auf Fragen ihres Lebens. Sie spürten
eine Unruhe, die sie suchen ließ. Sie berichten, dass ihnen Jesus
in einem Menschen auf dem Weg begegnet ist, der ihnen zuhörte, für
sie betete und sie einlud, mit Jesus ganz elementar und natürlich
zu reden. Oder sie erzählen, dass sie eine Schrift in die Hände
bekamen oder dass sie in eine Gemeinschaft von Christen eingeladen
wurden, die sie zu Jesus führte.
Sind wir bereit, von unserer Christus-Erfahrung her anderen Orientierung zu geben? Sind wir bereit, mit ihnen Wege zurückzulegen, an ihrer Seite zu bleiben und Beziehungen einzugehen? Sind wir bereit, von unserem lebendigen Wasser abzugeben und es zu verschenken? Die Erfahrung, dass Jesus Christus unserem Leben Orientierung gibt, ist Fundament unseres Glaubens. Wenn wir heute Nachmittag Menschen aus unserer Nachbarschaft begegnen, dann spielen wir hier nicht Kirche, sondern sind Kirche – herausgerufen aus einem Leben, das von Brunnenwasser genährt wurde, in ein Leben aus der Fülle Gottes. Das ist es wert, weitergegeben zu werden. Cornelia
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