|
Liebe Gemeinde,
Vielleicht sind diese Überlegungen auf alle Wettbewerbssituationen anzuwenden. Man wird von außen angefeuert, man spürt das innere natürliche Bedürfnis nach Anerkennung, man möchte die Rangfolge abchecken, möglichst weit oben auf der Leiter landen und erhofft sich positive Auswirkungen auf die nächste Wegstrecke. Solchen Wettbewerbs-Ehrgeiz kenne ich auch, obwohl ich niemals zu einer Casting-Show wollte. Ich erinnere mich an eine Situation im Frauensport. Wir sollten eine kleine Strecke mit der Übungsleiterin um die Wette spurten, und ich legte all meine Kraft hinein, um sie am Ende zu besiegen. Was für ein verrücktes Wettrennen, wo ich doch gar nicht so viel Sport mache. Was trieb mich dabei wohl an? Jesus bereitete sich auf seine Passion vor. Es war ihm so wichtig, seinen Jüngern einen inneren Kompass mitzugeben, um auch nach Ostern mithilfe dieser Orientierungshilfe Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden. Eines seiner Themen war, wie sich das Verhältnis der Jünger untereinander gestalten konnte? Auch für uns lassen sich daraus wichtige Erkenntnisse ableiten. Jesu Freunde hatten gerade ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Drei von ihnen waren mit Jesus auf dem Gipfel gewesen, hatten Gottes Nähe erlebt, seine Stimme gehört. Die anderen neun waren ins tiefste Tal ihrer Ohnmacht geraten, konnten in Abwesenheit ihres Meisters ein krankes Kind nicht heilen. Die Jünger lernten aus beiden Erfahrungen. Wie wichtig waren Gipfelerfahrungen für den Glauben. Sie ließen sich nicht erzwingen, aber wenn man sie geschenkt bekam, gaben sie einen Vorgeschmack auf den Himmel. Die anderen Neun wurden sich ihrer Grenzen bewusst. Nur mit Jesus, im Vertrauen auf ihn, in der Verbindung zu ihm konnten sie handeln in der Vollmacht Gottes. Ich kann mir vorstellen, dass bei den Neun ein kleiner Stich zurückgeblieben ist. Warum waren sie nicht auf den Berg mitgenommen worden? Warum mussten sie an ihre Grenzen erinnert werden? War das nicht ungerecht? Und wer war eigentlich der wichtigste und liebste Jünger von Jesus? Sicher wollten es alle sein. Und als Jesus ein paar Schritte vor ihnen herging, entbrannte eine hitzige Diskussion: Markus 9,33-37
Ich kann mir diese Runde mit Jesus richtig gut vorstellen. Jesus zitiert die 12 und fragt nach, was sie miteinander verhandelt haben. Klar, die Jünger hätten liebend gerne gesagt: „Wir haben uns gestritten um den besten Weg, wie wir deinen Tod verhindern können.“ Aber Jesu Blick geht ins Herz, da ist keine Chance zu leugnen. Sie müssen gestehen, es ging um Konkurrenz. Ich würde erwarten, Jesus sagt ihnen: „Niemand ist mir wichtiger als die anderen. Ich liebe euch alle. Und am meisten kümmere ich mich um den, dem es gerade am schlechtesten geht.“ Aber Jesus spürt, dass jetzt eine grundsätzliche Aussage zum inneren Kompass dran ist. Er macht deutlich, dass sie sich keine überflüssigen Gedanken zur Rangfolge zu machen brauche. Sie sind geliebt, egal ob auf dem Berg oder im Tal. Aber wer sich dennoch überlegt, wo er auf der Beliebtheitsskala steht, soll sich hinten anstellen auf die unterste Stufe und den anderen helfen, ihre Sprossen zu erklimmen. Er soll seine Energie nicht für seine Karriere im Reich Gottes nutzen, sondern sie für seine Mit-Jünger einsetzen. Mein innerer Kompass
Und auch im Bezug auf die Gemeinde ist dieser innere Kompass überlebenswichtig. Weil es uns in der Gemeinschaft nicht darum gehen kann, möglichst beliebt und erfolgreich bei den anderen angesehen zu werden, stehen wir nicht vor den ersten Plätzen Schlange, sondern drängeln uns bei den letzten. Das sind die, die unscheinbare und wenig auffällige Dienste tun: Unkraut im Vorgarten rausrupfen, beim Laufen über den Kirchenparkplatz ins Auge fallende Zigaretten-Kippen aufsammeln, anrufen bei denen, die einsam sind, die Aufgaben übernehmen, die einfach dran sind ohne viel Aufhebens. Diese Haltung geht über die Kirchenmauern hinaus. Unser innerer Kompass wird uns helfen, auch in unserem Alltag fernab der Gemeinde im Auge zu behalten, wie wir unsere Fähigkeiten nicht für unsere Selbstbespiegelung nutzen, sondern sie einsetzen für andere. Das Kind in die Mitte
Denn eine Gemeinschaft, auch wenn alle noch so bemüht sind, einander zu dienen, wird Vergebung brauchen. Verletzungen, gewollt oder ungewollt, passieren. Dass aus ihnen keine eiternden Wunden werden, die letztlich zerstören, ist Jesus ein Anliegen. So ruft er auf, aus der Vergebung Gottes die Kraft zu schöpfen, einander zu vergeben. Hier nur ganz kurz drei Schritte in diesem Prozess, der sich durchaus über eine längere Zeit hinziehen kann:
Jesus richtet auch unseren
inneren Kompass neu aus. Wer ist der oder die Wichtigste? Wer sich hinten
anstellt und für die ein Auge hat, die Hilfe brauchen. Wer sich nicht
zu schade ist für die niederen Aufgaben und einfach anpackt, wo es
nötig ist. Wer seine Fähigkeiten nicht für sich behält,
sondern sie großzügig austeilt wie ein Sämann, der sein
Saatgut nicht hortet, sondern damit Neues pflanzt.
Jesus ist dabei, er schart uns um sich und gibt uns, was wir brauchen. Cornelia
Trick
|