Gottesdienst am 1.11.2020
in Brombach
Liebe Gemeinde,
ein netter Zeitvertreib
ist für mich Kreuzwort-Rätseln. Bei manchen Fragen kenne ich
die Antwort schon von den vorherigen Rätseln, z.B. wenn nach einem
gegorenen Milchprodukt mit fünf Buchstaben gefragt wird. Immer lautet
der erwartete Begriff „Kefir“. Auch bei der Frage nach einem Religionsstifter
mit fünf Buchstaben ist der Erwartungshorizont klar, Jesus passt hinein.
Auch während der paar Tage Urlaub in den Herbstferien ist mir dieser
Begriff beim Rätseln wieder ins Auge gesprungen, und meine Gedanken
gingen weiter. War Jesus wirklich ein Religionsstifter? Ist seine Mission
damit richtig beschrieben? Und wer ist Jesus?
Dazu fand ich eine sehr
kurze Zusammenfassung im Matthäus-Evangelium.
Matthäus 9,35-38
Jesus zog durch alle Städte
und Dörfer des Landes. Er lehrte in ihren Synagogen und verkündete
die Gute Nachricht vom Himmelreich. Und er heilte jede Krankheit und jedes
Leiden. Jesus sah die große Volksmenge und bekam Mitleid mit den
Menschen. Denn sie waren erschöpft und hilflos – wie Schafe, die keinen
Hirten haben. Deshalb sagte er zu seinen Jüngern: »Hier ist
eine große Ernte, aber es gibt nur wenige Erntearbeiter. Bittet also
den Herrn dieser Ernte, dass er Arbeiter auf sein Erntefeld schickt!«
Was Jesus tat
Drei Schwerpunkte von
Jesu Tätigkeit werden hier beschrieben:
Jesus brachte in einer ersten
Lektion den Menschen um ihn herum Gott nahe. Er nahm ihnen die Angst vor
dem übermächtigen Herrscher der Welt und warb um ihr Vertrauen,
sich auf Gottes Liebe einzulassen. Dazu gebrauchte Jesus oft Bilder. So
verglich er Gott mit einem Bauern, der sät und erntet. Er nannte Gott
einen Hirten, der seine Herde umsorgt und für jedes Schaf das Beste
will. Er
zeigte auf, dass Gott,
wäre er ein Arbeitgeber, jedem Angestellten, jeder Angestellten soviel
zahlen würde, dass es zu ihrem Lebensunterhalt reichen würde.
Die Quintessenz dieser Bilder ist, dass Gott die Beziehung zu seinen Menschen
sucht und aufrechterhalten will.
Eine zweite Lektion folgte.
Jesus lud ein zum Mittun. Wie man es bei Gott erfahren hatte, so sollte
man es leben, vergebungsbereit sein, großzügig teilen, Verantwortung
für Menschen und Umgebung übernehmen und sich selbst nicht größer
denken als den Mitmenschen. Jesus machte deutlich, dass das nur gelingen
konnte, wenn man sich an Jesus band, auf ihn hörte und sich nach ihm
orientierte. So würden die Lektionen fruchten, dass Nachfolger und
Nachfolgerinnen Jesu auf Gott schauten und darauf achteten, was die Nächsten
brauchten.
-
Jesus brachte eine Siegesmeldung
Jesus erzählte den Leuten,
dass eine neue Zeit, das Himmelreich, mit ihm angebrochen war. Gottes Sieg
war in Jesus angebrochen. Das Böse, das in dieser Welt allgegenwärtig
war und ist, würde nicht mehr ewig bestehen bleiben.
Ich erinnere mich an ein
spannendes Fußballspiel vor ein paar Jahren. Es ging um den Einzug
in den Europapokal. Es war kurz vor Schluss. Ich hielt die Spannung vor
dem Bildschirm nicht mehr aus und stellte in der Küche das Radio an,
das war ein paar Sekunden schneller in der Übertragung. Als die Familie
vor dem Fernseher noch zitterte, wusste ich schon die Siegesbotschaft zu
verkünden.
So spulte Jesus den Film
vor. Er sagt: „Am Ende wird Gott siegen“, so verkündete er, „egal,
wie viele Gegentore ihr hier einfangt. Vertraut darauf.“
Die Geheilten konnten ihren
Nachbarn bezeugen, dass Gott sie in Jesu Blick angesehen hatte und ihnen
geholfen hatte. Er hatte ihnen eine Spanne Leben dazu gegeben. Nicht, um
einfach weiterzumachen wie vorher, sondern in Gottes Sinne Licht und Liebe
in die Welt zu bringen. Sie wussten darum, dass sie zum Zeichen für
diese neue Zeit wurden und Menschen an ihnen ablesen konnten, dass Gott
es ernst machte mit seiner Zusage: „Ich bin bei euch“.
Der Sprung in unsere Zeit
Jesus war nicht nur Religionsstifter,
der lehrte, den Sieg Gottes ankündigte und Menschen heilte. Er ist
bis heute mit seinen Menschen auf dem Weg. Er schaut auf uns wie damals
auf die Menschenmenge und empfindet Mitleid.
Da ist jemand erschöpft
von allen Anforderungen des Lebens, von Arbeit, Beziehungsthemen, dem Kampf
ums Überleben. Da ist eine hilflos. Sie müsste sich dringend
um dies und das kümmern, aber sie hat nicht die leiseste Ahnung, wie
sie es bewerkstelligen soll. Und jemand fragen? Das will sie auch nicht.
Da ist jemand orientierungslos. Er weiß, dass der Weg gerade in eine
Sackgasse führt. Aber er kann nicht erkennen, ob ein anderer Weg weiterführen
würde. Und wohin soll die Reise überhaupt gehen? Da ist eine
alleingelassen, und niemand merkt es. Keiner ruft an, keine klingelt an
der Tür. Hat sie auch Gott allein gelassen, so fragt sie sich.
Jesus sieht den Erschöpften,
die Hilflose, den Orientierungslosen und die Alleingelassene. Es ist ihm
nicht egal, wie es in uns aussieht. Er steht uns bei und will unsere Situation
ändern. Damals wie heute.
Erntehelfer gesucht
Im Frühjahr war das
große Thema, dass die Erdbeeren und der Spargel reiften, aber die
sonst zuverlässig anreisenden Erntehelfer aus östlichen Ländern
nicht kommen durften. Die Ernte war reif, aber niemand konnte ernten. Manche
Landwirte wurden kreativ. Sie errichteten provisorische Unterkünfte
mit genügend Abstand für die Einzelnen, sie zahlten die Flüge,
sie versuchten, Studierende zum Ernten anzuwerben. Das war ihnen die Ernte
wert.
Jesus blieb nicht bei dem
Mitleid stehen. Er wusste, dass die Menschen mehr brauchten als seinen
Blick, sein Erbarmen und seine heilende Hand einmal im Leben. Sie brauchten
andere, die sie in Kontakt zu Gott brachten, sie begleiteten, bestärkten,
die ihnen helfen konnten, falsche Wege zu verlassen. Er nannte diese Leute
Erntehelfer Gottes. Wer ist gemeint? Wohl die, die mit Jesus unterwegs
sind, seine Nachfolgerinnen und Nachfolger, die schon erlebt haben, dass
Jesus sie angesehen hat.
Eine ehrliche Antwort fordert
Jesu Aufruf heraus. Ist mir Jesu Ruf, Menschen in Kontakt mit Gott zu bringen,
so viel wert, dass ich wie die Bauern im Frühjahr kreativ werde und
weder Mittel noch Wege scheue, um wenigstens mit ein paar Leuten zu Gott
hin unterwegs zu sein? Bin ich bereit, bildlich gesprochen selbst auf die
Knie zu gehen, und die „Erdbeeren“ für Gott zu pflücken?
Ich merke, wie ich lieber
als Zuschauerin, neutrale Beobachterin darüber nachdenke, wie man
die Ernte organisieren könnte: „Die Kirchen sollten, die Christen
könnten doch, meine Glaubensschwester müsste eigentlich sehen,
was jetzt dran ist!“
Doch Jesus will mich nicht
als Beobachterin, sondern spricht mich hier ganz persönlich an. Er
sagt mir:
-
Gerade in diesen kontaktarmen
Zeiten suche diese eine Person in deinem Umfeld, die Gottes Blick braucht,
Ermutigung, Zuwendung und Trost.
-
Hole dir täglich eine
Portion Zuversicht bei Jesus ab und lebe damit. Du wirst sehen, nicht alles
ist grau, beängstigend und schrecklich. Gott lässt sein Siegeslicht
schon immer wieder zwischendrin aufblitzen. Nimm die kleinen Zeichen im
Alltag wahr, die er dir schenkt.
-
In Momenten der Unsicherheit
und des Zweifels rede mit Gott. Manchmal kann das Beten auch ein Ringen
sein. Dabei wirst du merken, dass Gott dich festhält, auch wenn du
nicht mehr kannst.
-
Lass dir helfen. Die Öffentlichkeit
erwartet von Christen vor allem, dass sie ihren Nächsten helfen. Sie
sehen in ihnen wandelnde Diakonie-Stationen. Aber du bist nicht besser
als andere und brauchst genauso Hilfe. Vielleicht hilft es, die eigene
Bedürftigkeit auch gegenüber Nicht-Christen zu nennen und ihnen
zu zeigen, dass es nicht die eigene Kraft ist, sondern Gottes Kraft, die
hält.
Sind wir bereit, Jesus nicht
nur als Religionsstifter zu verehren, sondern uns von ihm ansehen, verändern,
auf neue Wege führen zu lassen? Sind wir bereit, seine Erntehelfer
zu sein? Dann wird Jesus uns wie die Jünger damals – nachzulesen in
den nachfolgenden Versen – mit seiner Vollmacht ausstatten und losschicken.
Cornelia
Trick
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