Und woran glaubst du? (2. Petrus 1,16-19)
Gottesdienst für den 31.1.2021 in Brombach, wegen des Lockdowns ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
eine Zeitlang war ich für eine Krabbelgruppe zuständig, wir trafen uns mit Müttern und Kleinkindern zum Spielen, Austauschen und Frühstücken. Fester Bestandteil unseres Treffens war eine biblische Geschichte mit Lego und Playmobilfiguren. Ich erinnere mich an eine Gruppenstunde. Eine Mutter reagierte auf die Geschichte und meinte: „Ach wie schön, ich habe zuhause auch ein Buch mit Märchen, die lese ich so gerne vor.“

Sind Jesus-Geschichten Märchen? Ich war erstmal so erstaunt über diese Aussage, dass ich nichts darauf antwortete. Für sie – von außen betrachtet – waren die Jesus-Erzählungen schöne Wohlfühlgeschichten. Für mich bedeuteten sie, dass Jesus sich in ihnen mir selbst zeigt und zuwendet, ich in ihnen Gottes Liebe zu mir erkennen kann. 

Diese Fragen bewegten auch die Christen in den ersten Jahrzehnten nach Jesu Auferstehung. Wer es nicht selbst erlebt hatte, konnte es kaum glauben. Jesus sollte von den Toten auferstanden sein? Der 2. Petrusbrief lässt uns einen kleinen Einblick in die Gemütslage der ersten Christen bekommen. Sie erwarteten, dass Jesus in der allernächsten Zeit wiederkommen würde und sie abholte in seine neue Welt. Sie sahen dem entgegen, dass alle Welt Jesus erkennen und ihn anbeten würde, nicht nur das kleine Häuflein Christen. Sie freuten sich darauf, ihr Christsein nicht länger heimlich leben zu müssen, sondern mit Jesus Siegende zu sein. Doch diese Wiederkunft blieb aus. War alles nur ein Märchen? Und war dann auch Jesus selbst ein Märchen? Was sollte man da noch glauben? Wie beim Dominoeffekt fielen mit der ersten Gewissheit auch alle anderen um, der Glaube löste sich auf in Schall und Rauch, wurde zum Märchen.

Petrus bezog Stellung mit einem Augenzeugenbericht. Er hatte es selbst gesehen und gehört, wer Jesus ist, so schrieb er. Ein Augenzeuge hatte Autorität.

2. Petrus 1,16-19
Wir haben uns keineswegs auf geschickt erfundene Märchen gestützt, als wir euch ankündigten, dass Jesus Christus, unser Herr, wiederkommen wird, ausgestattet mit Macht. Vielmehr haben wir ihn mit eigenen Augen in der hohen Würde gesehen, in der er künftig offenbar werden soll. Denn er empfing von Gott, seinem Vater, Ehre und Herrlichkeit – damals, als Gott, der die höchste Macht hat, das Wort an ihn ergehen ließ: »Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt.« Als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren, haben wir diese Stimme vom Himmel gehört. Dadurch wissen wir nun noch sicherer, dass die Voraussagen der Propheten zuverlässig sind, und ihr tut gut daran, auf sie zu achten. Ihre Botschaft ist für euch wie eine Lampe, die in der Dunkelheit brennt, bis der Tag anbricht und das Licht des Morgensterns eure Herzen hell macht.

Interessant ist, welche Begebenheit Petrus aus seiner Zeit mit Jesus herausgriff. Er hätte ja auch ganz andere Situationen aufzählen können, bei denen er Augenzeuge war: Heilungen, Wunder, Passion und Ostern, Himmelfahrt. Diese Ereignisse scheinen mir viel mehr Gewicht zu haben, als die Verklärung auf dem Berg. Aber genau davon erzählte Petrus. Die Evangelien Matthäus, Markus und Lukas berichteten übereinstimmend davon:

Jesus geht mit Petrus, Jakobus und Johannes auf einen Berg um zu beten. Acht Tage vorher gab er ihnen zum ersten Mal einen Vorausblick auf die Passion und Kreuzigung in Jerusalem, aber auch den Hinweis auf seine Auferstehung. Man kann sich vorstellen, welche Diskussionen die Jünger untereinander führten. Was hatte das zu bedeuten? Was würde mit ihnen passieren? Was könnten sie tun, um die Kreuzigung zu verhindern? 

Jesus geht mit seinen engsten Vertrauten in die Stille auf den Berg, um Gottes Kraft zu spüren und seine Weisung zu erhalten. Während Jesus von himmlischem Licht angestrahlt wird und Elia und Mose als den Vertretern des Bundes Gottes mit seinem Volk Israel trifft, sind die Jünger wie hypnotisiert zwischen Schlaf und Wachsein. Auf die Erscheinung reagiert Petrus. Er wünscht sich, dass Mose, Elia und Jesus Hütten bekämen, um dort auf dem Berg zu bleiben. Er fühlt sich dem Himmel so nahe und will dieses Gipfelerlebnis wiederholen, jederzeit zu den Hütten zurückkehren können. Doch statt eines Hüttenbaus erschallt Gottes Stimme aus einer Wolke: „Jesus ist mein Sohn, auf ihn sollt ihr hören!“ Gott schickt die Jünger damit wieder ins Tal, in ihren Alltag. Sie sind noch nicht soweit, um auf dem Berg, in Gottes Ewigkeit zu bleiben. Sie haben Jesu Wort, das wird sie jederzeit mit Gott verbunden sein lassen. (Markus 9,2-10)

Darauf bezog sich Petrus in seinem Brief. Er hatte auf dem Berg Gottes Stimme gehört. Jesus war keine Märchenfigur und seine Worte keine leeren Versprechungen. Jesus war die Verbindung von Himmel und Erde. Wenn Jesus gesagt hatte, dass er wiederkommt, dann wird das stimmen, egal, wie lange es noch dauert. Gottes Stimme aus der Wolke war wie die Unterschrift unter einen Vertrag. Sie machte Jesus für alle Zeit gültig.

So war dieser Ausflug auf den Berg für Petrus wie ein Schnupperwochenende für himmlische Zeiten, das ihm für die Zeit im Tal Gewissheit gab.

Und was glauben wir?
Ich denke an die Frau in der Krabbelgruppe. Würde ihr die Erfahrung von Petrus auf dem Berg helfen? Wahrscheinlich nicht, wenn ich einfach die Geschichte mit Playmobilfiguren nachgespielt hätte. „Was hat das mit mir zu tun?“, wäre vielleicht ihre Antwort gewesen.

Ich würde, wäre ich noch einmal in dem Gespräch, von mir erzählen, von den Berg-Erfahrungen in meinem Leben.

Da war ich enttäuscht von Menschen, frustriert, weil Projekte nicht gefruchtet haben, kraftlos in einer Zeit, als es den Eltern schlecht ging und ich nicht mehr wusste, wie ich ihnen helfen konnte. In diesen Zeiten waren es die kleinen Zeichen, die mich mit Petrus auf den Berg katapultierten. Eine Mail war wie ein Zuspruch von Gott, ein Bibelwort in der Losung schien nur für mich ausgewählt zu sein. Ein Konflikt löste sich auf, eine Entwicklung, die ich als bedrohlich empfunden hatte, stellte sich als Segen heraus. Diese Momente waren so erfüllend, dass ich mich ganz mit Jesus im Reinen fühlte, so geborgen, zuhause und gehalten. Gipfelerlebnisse, die ich gerne festgehalten hätte.

Doch ich konnte diese Momente nicht herbeiführen aus eigener Kraft. Auch Jesus war ja nicht auf den Berg gegangen mit dem Vorhaben, hier Mose und Elia zu begegnen, er wollte nur beten. 

Wie Jesus kann ich ein Willkommensschild an meine Herzenstür hängen. Ein solches Willkommen ist das Gebet. Ich halte mich Gott hin, ich erwarte, dass er in Kontakt mit mir tritt, ich bin offen für eine Begegnung mit ihm. 

Nach dem Willkommensschild kommt der Gang „auf den Berg“. Ich kann aus meinem Alltag aufbrechen, eine andere Zeit wählen, um mit Gott in Kontakt zu kommen: zum Abendgebet einen anderen Ort aufsuchen, vielleicht nicht mein Bett kurz vor dem Einschlafen, sondern den Spaziergang einmal um den Block. Ich kann mir Verstärkung suchen, so wie Jesus auch nicht allein auf den Berg ging. Eine Freundin, die mit mir betet, die für mich betet, mit der ich meine Erfahrungen mit Jesus austauschen kann. 

Auf dem Berg ist Zeit zum Verweilen. Bei mir selbst beobachte ich, wie ich bei Gipfelerfahrungen viel zu schnell wieder nach unten stürme. Die schönen Momente mit Jesus fallen dem Alltagsgeschäft zum Opfer. Doch wenn ich gleich wieder ins Tal absteige, werde ich gar nicht mitbekommen, was auf dem Berg passiert. Vielleicht hilft ein Tagebuch dabei, bewusster die Zeit mit Gott zu genießen. Die Berg-Erlebnisse können wir sammeln, sie stärken unser Gottvertrauen und unsere Widerstandskraft in den Herausforderungen unseres Lebens. Und wir können von den Berg-Erlebnissen erzählen, wie es Petrus damals in seinem Brief tat. 

Und woran glauben wir? Dass Jesus uns in die Verbindung zu Gott bringt, dass wir mit ihm Geborgenheit, Sinn und Erfüllung finden. Dass mit ihm der Himmel immer wieder einen Spalt breit geöffnet wird und wir Kraft für die Täler bekommen, wie es in Psalm 73 heißt:

Trotzdem bleibe ich immer bei dir. Du hast mich an die Hand genommen. Du führst mich nach deinem Plan. Und wenn mein Leben zu Ende geht, nimmst du mich in Würde bei dir auf. Wen hätte ich sonst im Himmel? Bei dir zu sein, das ist alles, was ich mir auf der Erde wünsche.“ (Psalm 73,23-25)
 

Cornelia Trick


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