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Liebe Gemeinde,
Wir singen ja normalerweise, wenn wir glücklich sind, unserer Lebensfreude Ausdruck verleihen wollen. Doch es gibt auch das Singen in der Nacht, in der Tiefe. Solche Nacht-Lieder sind in den Psalmen der Bibel festgehalten, aber auch von Paulus wissen wir, dass er in der Nacht sang. Paulus war mit seinem Begleiter Silas unterwegs. Er wollte neue Gemeinden gründen, Menschen sammeln, damit sie Jesus besser kennenlernen konnten und sich gegenseitig im Glauben unterstützten. Doch im Westen der heutigen Türkei waren alle Türen verschlossen, wohin er auch ging. Er klapperte sozusagen ein ganzes Hotel ab und versuchte, mit seinem Schlüssel eine Tür zu finden, die sich öffnete. Aber auch die letzte Tür blieb zu. Sein Schlüssel passte nicht. Paulus fragte sich, was Jesus von ihm wollte, wie sollte es weitergehen? In der Nacht hatte er einen Traum, ein Mann bat ihn, nach Europa zu kommen und zu helfen. Paulus ließ sich auf diesen Ruf Jesu ein, reiste mit Silas nach Griechenland und fand wirklich offene Türen. In seiner ersten Stadt Philippi konnte er eine Hausgemeinde zunächst mit jüdischen Frauen gründen. Doch bald gab es Zusammenstöße in der Stadt wegen einer Heilung. Die Missionare und Gemeindegründer landeten im Gefängnis. Apostelgeschichte 16,25-34
Der Gefängnischef nahm seinen Auftrag ernst und nahm die Gefangenen in Sicherheitsverwahrung. Die hinterste Zelle und die Füße in den Holzblock, so sperrte er sie weg. Aus menschlicher Perspektive war kein Entkommen möglich. Verlassen wir diese Szene aus alter Zeit und wechseln in unsere Welt. Wir sitzen ja eher nicht in solchen finsteren Verließen, die wir nur noch aus Historienromanen kennen. Doch ich höre Lebensgeschichten, die sich ähnlich wie diese Geschichte anhören. Da sitzt eine in ihrer Beziehung fest, hat Angst, abends nach Hause zu kommen. Was wird sie erwarten? Welche Verletzung lauert dieses Mal auf sie? Eine Trennung scheint aussichtslos, der Schuldenberg ist zu hoch. Jemand trauert, fühlt sich von der Zukunft abgeschnitten, eingesperrt ohne Hoffnung und Lebensfreude. Und noch so viele andere Schicksale ließen sich aufzählen, dass Sicherheiten wie Arbeit, Wohnung, Heimat verlorengehen, dass eine Sucht immer mehr einengt, dass eine chronische Krankheit die Perspektive klein werden lässt. Vermutlich kennen wir manche Gefängniszellen. Auch wenn in ihnen keine Mäuse und Ratten herumlaufen, so nagen Existenzängste und tiefer Schmerz an uns. Da sollen wir wie Paulus und Silas mitten in unseren Nächten der Seele singen? Singen um Mitternacht
Vertrauenslieder wie Psalm 23, der vom Guten Hirten handelt, sollen ermutigen. Im finsteren Tal, im Angesicht von bedrohlichen Feinden ist Gott da und führt heraus auf saftige Wiesen zu gedeckten Tischen. Ein solches Vertrauenslied in der Nacht zu singen, bestärkt. Denn es versichert, dass Gott auch in der Dunkelheit gegenwärtig ist. Da gibt es auch die Protestlieder gegen die Unterdrückung und Ungerechtigkeit, gegen die Angst. Maria, die Mutter Jesu, sang ein solches Lied vor Jesu Geburt (Lukas 1,46-55), die Hohen werden erniedrigt und die Unterdrückten aus dem Staub gehoben. Die Sklaven in Amerika nahmen die Befreiungsgeschichten der Bibel auf und dichteten Spirituals, sangen von Gottes Größe und seiner Macht, bargen sich in dieser Glaubenserfahrung und nahmen sie für sich vorweg. Vielleicht geht es Ihnen wie mir. Ich kann in Zeiten der Nacht meiner Seele nicht singen. Mir bleiben die Töne im Hals stecken. Aber ich lese dann die Texte der Lieder, höre die Melodien in meinem Herzen. Mich trösten die Glaubenszeugnisse anderer, ihre Lieder zu Mitternacht. Ich wachse in sie hinein wie in eine zu große Wolljacke, die mich in kalten Zeiten gerade deshalb so gut wärmt. Wir haben diese Lieder, müssen sie noch nicht einmal selbst singen, dürfen sie uns gesungen und gesagt sein lassen, denn sie verbinden uns mit Jesus, der Macht hat über das Dunkel und den Tod. Rettung des Gefängnischefs
Ich habe noch niemand getroffen, der die Frage so gestellt hätte wie dieser Gefängnischef: „Was muss ich tun, um gerettet zu werden?“ Andere Fragen begegnen mir: Fängt mich jemand auf, wenn sonst nichts mehr hält? Gibt es ein höheres Wesen, das sich um mich sorgt? Kann ich dieser Macht trauen, oder ist das naiv? Paulus Antwort ist wie Instant-Kaffeepulver, das man eigentlich verdünnen muss. Man soll glauben, dann ist man gerettet. Würde das jemand ohne weitere Erklärungen verstehen? Ich würde wohl so oder ähnlich antworten: Diese höhere Macht, ich nenne sie Gott, hat sich uns mit einem menschlichen Gesicht zugewandt, das ist Jesus. Ihn kann ich bitten, sich erkennbar und spürbar in meinem Leben zu machen. Ihm kann ich mich anvertrauen, und ich erlebe, wie er mir seine Hand gibt und mich begleitet. Der Gefängnischef ließ sich mit seiner ganzen Familie taufen, er nahm sie mit in den neuen Glauben und wollte mit ihnen zusammen das Vertrauen zu Jesus einüben. Hier entstand schon eine kleine Hausgemeinde aus Eltern, vielleicht Großeltern, Kindern und Angestellten. Denn niemand sollte mit seinem Glauben allein bleiben, wir brauchen Mitchristen, die uns die Nähe Jesu verbindlich spüren lassen können. Wie sein Leben wohl weiterging? Er war ja nach diesem nächtlichen Erlebnis immer noch Gefängnischef. Aber sicher hatte sich etwas geändert. Jesus begrenzte Willkür und Allmachtsphantasien. In den Gefangenen wird er nun Menschen gesehen haben, die Jesus genauso liebte wie ihn. Vielleicht war er auch hellhöriger, denn in jedem Gefangenen konnte ihm wieder Jesus unverhofft nahe kommen wie durch Paulus und Silas. Zu den Kategorien des Alltags „Hausaufgaben, Essen, Schlafen“, die mir eine Jugendliche dieser Tage aufzählte, kommt noch eine weitere, nämlich Zeit mit Jesus zu verbringen, himmlischen Atem zu holen. Diese Kategorie ist für uns wichtig, sie hilft uns, Kraft für den Alltag zu bekommen, und bereitet uns vor, auch in den Nächten unseres Lebens genug Lieder im Herzen zu haben, um uns mit ihnen zu wärmen und Gottes Liebe aufzunehmen. Singen in der Nacht lädt uns ein, in der Tiefe Jesus und seine Kraft zu erfahren. Die Geschichte des Gefängnischefs erinnert uns, dass wir in Krisensituationen mutig sein können, anderen weiterzugeben, wo wir Halt in unserem Leben haben. Cornelia
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