Gottesdienst am 10.04.2009
Lukas 23,33-49
Und als sie kamen an die Stätte,
die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und
die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken.
Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie
tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das
Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat
andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte
Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten
ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber!
Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.
Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte
ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da
wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch
nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar
mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat
nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn
du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir:
Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die
sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis
zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang
des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich
befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte,
verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott
und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! Und als
alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen
sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. Es standen aber alle seine
Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt
waren, und sahen das alles.
Alle vier Evangelien berichten
vom Tod Jesu, jedoch aus unterschiedlicher Perspektive. Der Evangelist
Lukas gibt dem Kreuz die Überschrift „Vergebung“. Jesu Tod bedeutet
Vergebung Gottes und macht den Weg zu einer neuen Gemeinschaft von Gott
und Menschen frei.
Jesus in der Mitte
„Vater,
vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Diese Bitte formuliert Jesus zu Beginn der Kreuzigungsszene. Er spricht
Gott als Vater an und macht dadurch deutlich, dass er ganz und gar auf
Gottes Seite steht und als Gottes Sohn handelt. Was ihm hier widerfährt,
widerfährt Gott selbst. Der Schmerz, den er aushalten muss, ist Gottes
Schmerz. Wissen Jesu Peiniger nicht, was sie tun? Sehr wohl werden sie
sich im Klaren darüber sein, dass sie einen Aufrührer kreuzigen,
der die öffentliche Ordnung gefährdet. Doch sie wissen wohl nicht,
dass sie mit Jesus Gott kreuzigen, sich an ihrem Schöpfer vergreifen
und ihre Macht missbrauchen. So bittet Jesus für die um Vergebung,
die blind dafür sind. Er bittet Gott, dass er sie nicht zur Rechenschaft
zieht, sondern ihnen die vielleicht letzte Chance zur Umkehr schenkt. Er
bittet Gott um offene Arme für die Menschen, die ihm das Leben nehmen,
um Liebe für die Sünder und einen österlichen Neuanfang.
Jesu Bitte überstrahlt die ganze Kreuzigungsszene und eröffnet
das Verständnis für das Kreuz. Durch Jesu Tod ist die Sünde
selbst seiner Henker gesühnt. Für den, der Jesus vertraut, ist
Neuanfang möglich.
Vier Personengruppen am
Kreuz
Lukas erwähnt als erstes
das Volk. Es steht da und sieht zu. Man hört keine Anfeuerungsrufe
oder Protestschreie. Sie sind einfach interessiert, abwartend und neugierig
dabei. Aber sie spotten nicht. Sie kommen mir vor wie moderne Zeitungsleser,
die mit großem Eifer die Skandale verfolgen, dabei durchaus Verständnis
für alle beteiligten Seiten haben, aber selbst davon nicht berührt
werden. Sie regen sich eine Weile auf, bis ein neuer Skandal ihre Aufmerksamkeit
fesselt.
Dann sind da die Oberen,
einflussreiche Politiker und Hüter der Ordnung. Sie kennen Jesus besser.
Sie haben ihn analysiert. Er hat anderen Menschen geholfen. Nun wollen
sie sehen, wie er sich selbst hilft. Nach dieser Beweisführung, so
scheint es, würden sie ihn eindeutiger zuordnen können. Die Oberen
sind gute Analysten, aber schlechte Interpreten. Mit ihrer Analyse liegen
sie genau richtig. Jesus ist gekommen, um Menschen zu retten. Dabei setzt
er sein eigenes Leben ein. Den Menschen kann er nur helfen mit Einsatz
des eigenen Lebens. Ihre Interpretation lebt von dem Vorverständnis,
nichts ändern zu müssen und alles beim Alten zu lassen. Deshalb
trägt ihre Analyse nichts aus. Erst die nachösterliche Gemeinde
erkennt die Wahrheit in ihren Aussagen und staunt, dass sie nichts begreifen.
Die Soldaten stimmen in
den Spott ein. Ihnen ist es egal, ob Jesus irgendwem geholfen hat. Sie
tun ihre Pflicht und interessieren sich als Römer nicht sonderlich
für jüdische Angelegenheiten. Für sie ist ein König
ein Machthaber. Sie können nicht verstehen, wie Jesu Ohnmacht zu einem
König passen soll.
Neben Jesus hängen
zwei Mitgekreuzigte. Der eine lehnt Jesus rigoros ab. Ein sterbender Gottessohn
hat keine Bedeutung für ihn. Er macht sich offensichtlich auch keine
Gedanken über Gott oder ein Jenseits. Für ihn gibt es nur eine
Möglichkeit der Rettung, dass man ihn vom Kreuz abnimmt, und er sein
Leben fortsetzen kann.
Die vier Menschentypen
repräsentieren eine breit gestreute Ablehnung Jesu. Die unentschiedenen
Mitläufer, die Gelehrten, die Vollstrecker, der Mitgekreuzigte, sie
alle scheinen Jesus nur als interessantes Objekt zu betrachten, das ihnen
nichts nutzt und deshalb weg kann. Wie Jesus es schon vorhersagte: „Der
Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“
Versöhnung konkret
Erst der zweite Mitgekreuzigte
öffnet sich für Jesus. Er ist die erste Antwort Gottes auf Jesu
Bitte „Vater, vergib ihnen“.
Er reagiert auf Gottes geöffnete Arme, die ihn herbeisehnen. Zuerst
wird ihm seine eigene Situation bewusst. Er steht vor dem Tod, der ihn
als gerechte Abrechnung für sein Leben trifft. Auf diesem unausweichlichen
Weg sieht er auf Jesus. Ihm wird bewusst, dass Jesus den gleichen Weg geht,
ohne dass er für seine Schuld büßen muss. Er erkennt in
Jesus Gott selbst, der sich in die ganze Tiefe des Todes hineinbegibt,
um ihm die Macht der Vernichtung zu nehmen. Und folgerichtig hängt
sich dieser Mann an Jesus. Wenn Gott mit Jesus dem Tod die Macht nimmt,
dann wird der, der an Jesus hängt, mit Jesus ins neue Leben kommen.
Dann wird der übelste Verbrecher durch Jesus frei von seinen Verbrechen
und darf Gott entgegengehen.
Diese drei Phasen, die
der Verbrecher am Kreuz durchlebt, sind grundlegend für die Rettung.
Die Augen werden geöffnet für die eigene Situation: Nein, man
kann sich nichts vormachen, man hat das Leben nicht in der Hand, man kann
manche Fehler nicht wieder gut machen, man kann die Himmelstür nicht
von außen aufreißen. Der Blick auf Jesus lässt Hoffnung
schöpfen. Gott selbst hat sich in diese Not hineinbegeben. Und dieser
Jesus ist die einzige Rettung. Sich an ihn zu klammern, lässt das
Ziel erreichen: „Noch heute wirst du mit mir
im Paradies sein.“ Jesus hat keine Wartelisten
für zu Rettende. Wer sich an ihn klammert, wird heute mit ihm unzertrennlich
leben – hier und in Ewigkeit.
Der Tod Jesu
Eine große Finsternis
begleitet das Sterben Jesu, der Tempelvorhang zerreißt in der Mitte.
Die alte Schöpfung ist beendet. Der Tod ist entmachtet. Der Tempel
ist nicht länger Wohnort Gottes. Er ist da zu finden, wo Menschen
sich an Jesus klammern. Jesus ruft den Vater an mitten im Sterben. Er vertraut
sich dem Vater an, wo er selbst die Kontrolle über sein Leben abgeben
muss. Der Sohn ist im Tod in der väterlichen Hand Gottes geborgen, der
ihn nicht verlässt, auch wenn sich Jesus in die letzte tiefste Einsamkeit
des Todes begeben muss. Auch dort ist Gottes Hand unter ihm. Und in dieser
Hand Gottes ist nicht nur Jesus, sondern auch der Mitgekreuzigte, der an
seinem Hals hängt. Er ist der erste Christ, der in die Ewigkeit mit
Jesus eingehen wird. Der Verbrecher, für den Jesus gestorben ist,
und ein Symbol dafür ist, dass alle Menschen von Gottes Hand erwartet
werden.
Der Tod Jesu bedeutet mir,
dass ich darin Gottes Liebe zu mir erkennen kann. Nicht nur, dass Gott
mich retten will aus dem Tod, er schickt mir seinen eigenen Sohn voraus
und entgegen, der mich mitnimmt und mich der Grausamkeit des Todes entreißt
zu einem Leben in neuer Gemeinschaft mit Gott.
Das Leben hier hat keine
letzte Gültigkeit mehr, es muss hier nicht alles aufgehen, nicht jede
offene Rechnung beglichen werden. Es gelten nicht die Regeln des Monopoly-Spiels:
Wer die meisten Straßen hat, hat gewonnen, sondern wer die Karte
„Du bist aus dem Gefängnis frei“ hat, der ist Gewinner, egal wie viele
Straßen er hat oder nicht hat.
Die Auswirkungen
Der Mitgekreuzigte wird bei
Jesus bleiben. Er ist nun für immer mit Jesus verbunden. Ihm hat Gott
vergeben, und Jesu Bitte ist erfüllt.
Der römische Hauptmann
ist von einem Vollstrecker zum Bekenner geworden. Er sah, was geschah und
lobte Gott. Auch ihm hat Gott vergeben und ihm die offenen Augen für
Jesus geschenkt.
Das Volk bleibt nicht länger
in der Zuschauerrolle. Es wird von Jesus getroffen wie der Mitgekreuzigte,
schlägt sich an die Brust und kehrt um. Dieses Volk ist vielleicht
auch Wochen später am Pfingstwunder beteiligt, als 3000 auf einmal
in Jerusalem zum Glauben kommen werden.
Auch die Bekannten und
Frauen sahen, was geschah. Sie folgen Jesus, zuerst zum Grab, später
am Ostermorgen seinem Auftrag, seine Auferstehung bekannt zu machen. Sie
klammern sich auch an Jesus auf dem abenteuerlichen Weg der Nachfolge.
Und die Oberen? Um sie
bleibt es im lukanischen Bericht merkwürdig still. Jedoch, Josef von
Arimatäa gehörte zum Hohen Rat und stellte Jesus sein Grab zur
Vefügung. Ist nicht selbst unter den blinden Analysten ein Hoffnungsschimmer
auszumachen, dass es Einzelne gibt, die sich von Jesus berühren und
bis ins Herz treffen lassen?
Und wie ist es mit mir
und Ihnen? Wenn wir heute sehen, was damals geschah? Bleiben wir Zaungäste,
analysieren wir fleißig mit, lehnen wir empört ab oder lassen
wir uns von Gottes offenen Armen aus der Reserve locken? Was haben wir
denn zu verlieren? Und ist es nicht das Allergrößte, dass Jesus
uns mit seinem Tod anbietet, dass wir auf keinem Wegabschnitt mehr allein
gehen müssen, weil er dabei ist und uns festhält?
Noch heute – schieben wir
den Blick auf Jesus nicht auf, heute schon will er uns retten.
Cornelia
Trick
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