Motivation in schwierigen Zeiten (Philipper 1,3-11)
Gottesdienst am 16.7.2017 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
auf unserer Fensterbank stand mehrere Jahre eine Birkenfeige, eine sehr pflegeleichte Grünpflanze. Sie behielt ungefähr die gleiche Größe, was praktisch war, wir brauchten sie nicht umzutopfen. Doch immer wieder verlor sie Blätter, und bei genauem Hinsehen war klar, Erde hatte sie nicht mehr viel. So machten wir uns doch ans Umtopfen, besorgten einen größeren Topf, gute Erde und zogen die Birkenfeige mit Plastiktopf aus dem genau passenden Übertopf heraus. Wie war die Überraschung groß. Der Plastiktopf war von den Wurzeln buchstäblich gesprengt worden. Nur mühsam konnten wir die Fetzen des Topfes von den Wurzeln trennen. Schon nach wenigen Wochen in neuer Erde war das Resultat zu sehen. Die Birkenfeige schlug wie wild aus, hatte viele junge Triebe und wuchs schnell. 

Vielleicht sind wir Christen mit dieser Birkenfeige ganz gut zu vergleichen. Am Anfang haben wir beste Startbedingungen. Liebevoll werden wir in den Glauben vom Elternhaus, Religionslehrern und der Gemeinde eingeführt. Wir haben genug Erde, Nahrung für den Glauben, um uns tiefer zu verwurzeln. Doch die Erde wird weniger. Man kümmert sich im fortschreitenden Alter auch nicht mehr so intensiv um unser Glaubensleben, und der Raum für Gottesbegegnungen wird enger, so viel anderes in unserem Leben fordert Raum. Wir bleiben als Christen jahrelang auf dem gleichen Stand stehen, mancher Glaube stirbt auch langsam vor sich hin.

Die Gründe dafür sind vielfältig: 

  • Wir sind ausgepumpt. Wir haben viel investiert in die Gemeinde, unsere Berufung. Aber die sichtbaren Erfolge blieben eher vage. Wir haben langsam keine Kraft mehr.
  • Wir sind ausgetrocknet. Nichts Neues erfahren wir von Jesus. Die Geschichten von ihm aus der Kindheit sind unsere Grundlage, und sie passen nicht mehr zu unserer Lebenswelt.
  • Wir sind enttäuscht. Visionen und Hoffnungen sind zerplatzt. Menschen haben sich zurückgezogen, Programme liefen ins Leere. Unsere Gruppe, in die wir Herzblut investierten, löste sich auf, keiner kam mehr zu den Treffen.
  • Wir sind entmutigt. So hoffnungsvolle Anfänge erlebten wir, Menschen begleiteten wir, doch dann zogen sie weg, hatten anderes auf der Tagesordnung. Der Anfang verlor sich im Nichts.
Der Brief an die Philipper ist in einer solchen Dürre-Zeit des Paulus entstanden. Paulus selbst saß zu der Zeit im Gefängnis. Er kam mit seiner Mission nicht weiter, war buchstäblich ausgebremst. Auf dem Missionsfeld Zank und Streit, selbst weggeschlossen – man könnte verstehen, wenn Paulus aufgegeben hätte. Woher nahm er die Motivation zum Dranbleiben und Hoffen?

Schauen wir auf die Eingangsworte des Philipperbriefs.

Philipper 1,3-11

Ich danke meinem Gott jedes Mal, wenn ich beim Beten an euch denke. Jedes Gebet für euch – für euch alle! – wird mir erneut zum Dank und erfüllt mich mit Freude: Dank und Freude, dass ihr euch so eifrig für die Gute Nachricht einsetzt, seit dem Tag, an dem ihr sie angenommen habt, und bis heute. Ich bin ganz sicher: Gott wird das gute Werk, das er bei euch angefangen hat, auch vollenden bis zu dem Tag, an dem Jesus Christus kommt.  Ich kann gar nicht anders, als so über euch denken; denn ich trage euch alle in meinem Herzen, gerade jetzt, da ich für die Gute Nachricht im Gefängnis bin und sie vor Gericht verteidige und ihre Wahrheit bezeuge. Ihr alle habt ja teil an der Gnade, die Gott mir damit erweist. Er weiß auch, wie sehr ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Jesus Christus in mir geweckt hat. Ich bete zu Gott, dass eure Liebe immer reicher wird an Einsicht und Verständnis. Dann könnt ihr in jeder Lage entscheiden, was das Rechte ist, und werdet an dem Tag, an dem Christus Gericht hält, rein und ohne Fehler dastehen, reich an guten Taten, die Jesus Christus zum Ruhm und zur Ehre Gottes durch euch gewirkt hat.

Paulus dankt Gott

Im Gefängnis wendet sich Paulus an Jesus, er ist sein Gesprächspartner in der Einzelhaft. Er bittet nicht um seine Freiheit. Er rennt nicht gegen die geschlossene Gefängniswand an. Das wäre, wie wenn eine Fliege gegen eine geschlossene Glasscheibe fliegt, ein sinnloses Unterfangen. Paulus besinnt sich stattdessen auf das, was Gott schon getan hat. Er schaut auf Philippi mit großer Dankbarkeit. Die Gemeinde ist nicht das Werk seiner Hände, sondern Zeugnis, dass Gott sie gegründet und erhalten hat.

Paulus selbst hatte, wie wir in der Apostelgeschichte, Kapitel 16, erfahren, nur wenige Wochen Zeit, die Gemeinde zusammenzurufen und zu betreuen. Nach seinem kurzen Gefängnisaufenthalt dort musste er  wegen der Anfeindungen die Stadt schnell verlassen. Die Hausgemeinde, die sich bei Lydia traf, hatte wenig Unterricht bekommen, keine Sonntagsschule von klein auf, kein Kirchlicher Unterricht, keine langjährigen Vorbilder des Glaubens. Sie hatten auch keine Bibeln zur Hand. Das Neue Testament gab es noch nicht, die alten Schriftrollen waren so kostbar, man hatte sie nicht einfach zuhause im Bücherschrank liegen. Diese junge Gemeinde hatte nur die Geschichten von Jesus, die ihnen weitererzählt wurden. 

Trotzdem sind sie gewachsen und haben fünf Jahre schon den Auftrag Jesu gelebt. Sie blieben mit Paulus eng verbunden, hatten ihn 2-mal in der Ferne finanziell unterstützt.

Paulus rief sich diese Gemeinde und das Wunder, dass sie fünf Jahre nun schon existierte, in Erinnerung, und es machte ihn dankbar und hoffnungsvoll.

Paulus schaute auch auf seine Gefangenschaft. Im weiteren Verlauf des Briefes schrieb er, dass die Gefängnisaufseher mit dem Evangelium erreicht wurden, und wie die Brüder und Schwestern im Glauben durch seine Gefangenschaft mutiger denn je wurden, ihren Glauben zu bekennen.

Paulus verzweifelte nicht, sondern deutete seine Not um. Jesus war mit ihm und zeigte seine Kraft gerade in der Schwachheit des Paulus.

Wie wäre es, wenn wir unseren Namen eintragen würden? Max Mustermann, Erika Mustermann dankt Gott. Erika dankt für Gottes Wirken in der Vergangenheit. Max dankt für die Gemeinde, in der er lebt. Die Gemeinde mit all ihren Ecken und Kanten ist Erde, in die sich auch andere Menschen verwurzeln können. Erika deutet ihre persönliche Situation um. Sie schaut nicht auf die Mauern, sondern auf die Chancen, die Gott ihr auftut.

Paulus bittet für die Gemeinde

Das Wachstum der Gemeinde ist für Paulus ein Zeichen. Er bleibt in seiner Not nicht bei sich selbst stehen. Er kümmert sich nicht nur darum, dass sein eigener „Topf“  genug Dünger und Wasser bekommt, sondern will, dass auch andere gedeihen. Er will, dass auch die Liebe der Gemeinde nicht nur für den Eigenbetrieb fließt, sondern überfließt zu anderen außerhalb der Gemeinde. Interessant ist, dass Paulus die Liebe in Zusammenhang mit Einsicht und Verständnis nennt. Es geht also nicht einfach darum, mal drauflos zu lieben, sich nur untereinander zu lieben oder zu lieben und aus lauter Rücksichtnahme und Konfliktvermeidung alles beim Alten zu lassen. 

Einsicht und Verständnis von Gottes Willen meint zu schauen, wo Gott unsere Liebe in dieser Zeit braucht. 

Im 18.Jahrhundert gab es große Defizite in der Krankenpflege und Armenfürsorge. Christen und christliche Vereine gründeten Krankenhäuser, Waisenhäuser und Arbeitsstätten für Arme. Heute ist unser Staat in diesen Bereichen aktiv und hat uns viel Verantwortung abgenommen. Deshalb stehen Krankenhausgründungen nicht mehr auf der Tagesordnung von christlichen Gemeinden.

Nach dem 2.Weltkrieg haben Christen in Amerika Hilfspakete in das zerbombte und zerschlagene Deutschland geschickt. Es war die direkte Antwort auf die Not der ehemaligen Feinde und ein starkes Zeichen ihrer Liebe.

Heute kommen Menschen hier an, die aus Bürgerkriegen geflohen sind und Schutz suchen, einen neuen Anfang in unserer Mitte machen wollen. Der Staat tut viel, aber er kann nicht alles leisten, vor allem nicht persönliche Betreuung und liebevolle Zuwendung, die seelische Wunden heilt. Soviel mehr ist nötig als ein Bett, etwas zu essen und ein Integrationskurs. Vor allem Liebe ist nötig.

Vielleicht empfinden wir die Berufung, uns um Geflüchtete zu kümmern, nicht als erste Berufung. Im Taunus haben nicht viele einen familiären Migrationshintergrund. Wir können uns nur schwer verständigen und die Kultur ist uns fremd. Doch wir können mit Einsicht und Verständnis, die Gott uns schenken möge, lernen. Wir können zuhören, unser Herz öffnen, einfach da sein. Wir können unsere Ängste angehen und müssen ihnen nicht nachgeben. Und wir sind als Gemeinde miteinander dabei, können uns helfen und unterstützen. Das macht stark. Das hilft, die Liebe denen weiterzugeben, die sie gerade am dringendsten brauchen.

Wie Paulus es für die Philipper formulierte, so gilt es auch für uns. Die Liebe, die wir weitergeben, entscheidet, ob über Gottes Gesicht ein Lächeln huscht, wenn er die Brombacher Gemeinde anschaut. Oder ob er den Kopf schüttelt wie ein Fußballtrainer am Spielfeldrand, wenn sein Stürmer wieder einmal eine 100%-Chance vergeben hat.

Was wir tun können, ähnelt der gärtnerischen Aktivität bei einer Pflanze, die nicht mehr wächst. Wir können uns in einen größeren Topf setzen, unseren Blick weiten über unser eigenes Leben und unsere eigenen Bedürfnisse hinaus. Wir können für gute Erde sorgen, Nahrung für unseren Glauben aus der Bibel, dem Gebet und dem Austausch beziehen. Wir können uns düngen lassen, Gelegenheiten nutzen, bei denen wir Input für unseren Glauben bekommen. Und wir können uns gießen lassen von Gottes Gegenwart im Gottesdienst und wo immer wir ihn ganz besonders nah erleben.

Wie Paulus es schrieb (Philipper 1,6), so gilt es bis heute:
Gott hat in uns angefangen das gute Werk, er wird es auch vollenden.

Cornelia Trick


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