Mehr Kraft als gedacht (Johannes 15,1-8)
Gottesdienst für den 25.4.2021 in Brombach, wegen des Lockdowns ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
vorletzte Woche lag ein sogenanntes Kälte-Ei über unseren Breiten, es schneite immer wieder, nachts gab es Minusgrade. Morgens hieß es in den Verkehrsnachrichten, dass starke Rauchentwicklung im Rheingau den Verkehr behinderte. Obstbauern hätten Feuer in ihren Plantagen entzündet, um die Blüte vor Frost zu schützen. Diese methode wird auch in Weinbergen angewandt. Daher entstand vor meinen Augen ein Bild von einem Weinberg, überall loderten kleine Feuer, damit die Reben nur ja im Sommer Frucht bringen konnten. Welch ein Aufwand mit ungewissem Ausgang! So wertvoll sind diese Weinstöcke, dass die Winzer alles tun, um sie zu schützen. Und das nicht nur dieses Jahr und im April. Ständig sind die Pflanzen bedroht und brauchen intensive Pflege.

Auf solche Gedanken müssen mich erst Verkehrsnachrichten bringen. Denn Weintrauben scheinen so selbstverständlich zu wachsen, sie sind ja rund ums Jahr im Supermarkt erhältlich. Für Menschen früherer Zeit war das Sorgen und die Abhängigkeit von den Launen der Natur ständiger Begleiter. Sie verstanden sofort, wenn Jesus Beispiele aus der Natur gebrauchte, um Gott und seine Beziehung zu uns zu beschreiben.

So saß Jesus im vertrauten Kreis seiner Jünger beim letzten gemeinsamen Mahl am Vorabend seines Todes. Das Johannesevangelium fasst seine Abschiedsrede als sein letztes Vermächtnis zusammen. Was er den Jüngern weitergab, sollten sie nach seiner Auferstehung beherzigen. 

Um seine Beziehung zu Gott und zu den Jüngern sowie ihre Aufgaben in der Zukunft zu beschreiben, wählte er das Alltagsbeispiel der damaligen Zeit, den Weinberg.

Johannes 15,1-8
»Ich bin der wahre Weinstock. Mein Vater ist der Weinbauer. Er entfernt jede Rebe an mir, die keine Frucht trägt. Und er reinigt jede Rebe, die Frucht trägt, damit sie noch mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein geworden durch das Wort, das ich euch verkündet habe. Bleibt mit mir verbunden, dann bleibe auch ich mit euch verbunden. Eine Rebe kann aus sich selbst heraus keine Frucht tragen. Dazu muss sie mit dem Weinstock verbunden bleiben. So könnt auch ihr keine Frucht tragen, wenn ihr nicht mit mir verbunden bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts erreichen. Wer nicht mit mir verbunden bleibt, wird weggeworfen wie eine abgeschnittene Rebe und vertrocknet. Man sammelt das Abgeschnittene ein und wirft es ins Feuer, wo die Rebe verbrennt. Wenn ihr mit mir verbunden bleibt und meine Worte im Innersten bewahrt, dann gilt: Was immer ihr wollt, darum bittet – und eure Bitte wird erfüllt werden. Die Herrlichkeit meines Vaters wird darin sichtbar, dass ihr viel Frucht bringt und euch als meine Jünger erweist.«

In einem Roman, den ich gerade lese, unterhalten sich zwei Personen über ihre Beziehung zu Gott. Der eine meint, Gott ist ihm wichtig, weil er sich ganz persönlich gehalten und geführt fühlt. Die andere nennt Gott eine Schöpfermacht, die sie in einem perfekten Sonnenuntergang sieht. Für sie wird darin deutlich, dass jemand diese Welt auf einzigartige Weise geschaffen haben muss. Aber eine persönliche Beziehung kann sie sich nicht vorstellen.

Ich kenne solche Gespräche. Ist Gott ein höheres Wesen, das die Welt ins Leben gerufen hat? Oder will ein persönlicher Gott uns als sein Gegenüber, mit uns eine Beziehung aufbauen? Kümmert er sich um jedes noch so kleine Leben?

Es macht einen großen Unterschied gerade in diesen Zeiten, in denen wir uns seltsam ausgebremst und ohnmächtig fühlen, ob jemand da ist, der uns sieht, der Quelle für neue Kraft ist, bei dem wir Zuversicht tanken können oder eben nicht.

Das Bildwort Jesu ordnet klar zu. Gott ist der Weinbauer, er hat diesen einen, besonderen Weinstock aus dem Paradies in diese Erde gepflanzt. Jesus ist der Paradiesweinstock, er ist einzigartig mit Gott verbunden. Seine Lebenskraft kommt von Gott. Die Zweige an diesem Weinstock sind Menschen, die Jesus vertrauen, sich mit ihm verbinden lassen und Gottes Kraft aufnehmen wollen. 

In diesem Bild wird nicht beschrieben, wo sich die befinden, die nicht mit Jesus verbunden sind, ihn nicht kennen. Es wird auch nicht beantwortet, warum sie nicht am Weinstock sind, ob es ihre eigene Entscheidung ist oder sie einfach nichts von Jesus wissen. Wir werden auch nicht informiert, ob sie irgendwann noch dazukommen. Nur die mit Jesus Verbundenen werden hier angesprochen. Vielleicht ist es auch ein kleiner Werbeblock, wie attraktiv es ist, an diesem Weinstock Jesus zu hängen.

Gott ist der Weinbauer
Er wird alles tun, um die besten Voraussetzungen für Wachstum und Frucht zu schaffen. Deshalb hat er den Paradies-Weinstock Jesus eingepflanzt. Er pflegt diesen Weinstock mit besonderer Liebe. Entfacht Feuerchen bei Frost, reinigt und beschneidet die Triebe, damit mehr Kraft für die Früchte bleibt. Der Weinbauer liebt seinen Weinstock. Er geht in Vorleistung, lang bevor der Weinstock Früchte bringen kann.

Jesus ist der Weinstock
Er reagiert auf die Pflege des Weinbauern und gibt die Fürsorge weiter. Er schafft beste Voraussetzungen für Wachstum. Er hält die Reben fest, er versorgt sie und ist beständig für sie da.

Wir sind die Reben
Überlebensnotwendig ist für uns die Verbindung zu Jesus. Nur mit seinem Impuls, seinem Geist können wir wachsen, blühen und reifen. Wir können wenig selbst tun, außer uns beeinflussen zu lassen und die Korrektur-Schnitte des Weinbauern anzunehmen. Das kann weh tun, aber wir wissen, dass es zu unserem Besten ist. Unsere wichtigste Aufgabe ist zu bleiben. Anders als in der Natur können wir nämlich den Zufluss der Kraft steuern. Wir können mehr von Jesus aufnehmen, weniger oder gar nichts. 

Das hat natürlich Konsequenzen. Nehmen wir nichts von dem Lebenssaft Jesu auf, werden wir langsam absterben, unsere Bestimmung verfehlen und keine Frucht bringen. Wenn der Winzer die toten Zweige abschneidet und entsorgt, ist das nicht seine Strafe, sondern nur Folge unserer Entscheidung, nicht bei Jesus zu bleiben.

Was wir aus Jesu Gleichnis lernen

  • Die Liebe Gottes ist Überschrift. Seine Fürsorge gilt uns, er möchte nichts lieber, als wie die Bauern im Rheingau dafür sorgen, dass wir wachsen und gedeihen. Egal, was wir gerade erleben, wie wir uns fühlen und was wir Schweres zu tragen haben, es geschieht unter der fürsorgenden Liebe Gottes.
  • Lebensnotwendig ist eine stabile Beziehung zu Jesus. Er nennt das Gebet als Öffnen der Herzenstür. Wir können Jesu Kraft und göttliche Zuversicht aufnehmen, natürlich auch unsere Bitten loswerden. Denn in diesen Leerstellen unseres Lebens, die unsere Bitten ausdrücken, werden wir ihn besonders brauchen und spüren. Nicht nur Gebetszeiten sind für die stabile Beziehung wichtig. Mehr denn je ist unsere Eigeninitiative gefragt, um mit Jesus in Kontakt zu bleiben.
Bei einem Gespräch an der Kasse im Supermarkt kamen wir darauf, wie gut es ist, dass Gott in diesen Zeiten für uns da ist. Die Frau antwortete, dass wir aber jetzt nicht mal in den Gottesdienst gehen könnten. Und mit online hätte sie es nicht so. Gottesdienst war immer unsere Tankstelle, an der wir für die Woche unser Lebens-Benzin zapfen konnten. Jesus will uns immer noch versorgen, obwohl die Tankstellen zu sind oder nur wenige Kunden empfangen können. Das Benzin müssen wir uns nun in Kanistern besorgen, einen Online-Gottesdienst anschauen, aktiv mit unseren Gemeindefreunden persönlich Kontakt aufnehmen, die sonst immer einfach da waren, sich selbst mit Bibeltexten beschäftigen. Wenn wir mit leeren Kanistern unserer Seele zu Jesus kommen, wird er sie füllen, durch eine unerwartete Begegnung, durch den Anblick einer blühenden Wiese, durch eine Mail, die gut tut und bestärkt.

Bei Jesus zu bleiben, wird durch Rituale verstärkt. Eine regelmäßige Zeit mit Jesus nimmt die tägliche Entscheidung ab, ob jetzt gerade der richtige Zeitpunkt ist. Regelmäßiger Austausch mit Christen gibt die Chance, Jesus dabei zu begegnen. Ruhepole im Alltag entkrampfen die Gefäße unseres Körpers – und eben auch die Gefäße der Seele.

  • Ziel ist die Frucht. Die Kraft Jesu behalten wir nicht für uns. Die Weintrauben sind nicht Selbstzweck. Sie sind dafür da, gegessen zu werden und neuen Wein zu säen. Deshalb wird Jesus uns auch in dieser beginnenden Woche motivieren, anderen Zuversicht zu vermitteln, ihnen mit Liebe und Freundlichkeit zu begegnen und für sie zu hoffen, dass auch sie die Beziehung zu Jesus kennen und schätzen lernen.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Johannes 15,5 Luther-Übersetzung)
Cornelia Trick


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