Gottesdienst am 4.10.2020
in Brombach
Liebe Gemeinde,
Erntedank 2020 ist anders,
als wir es gewohnt sind. Wir sehen volle Apfelbäume auf den Feldern,
doch wie ein feiner Nebel legt sich unser Lebensgefühl über sie.
Unser Herz ist voller Dank für das gute Leben, das wir auch 2020 bisher
hatten. Das Brot ging uns nicht aus, wir leben im Frieden und haben eine
Regierung, die um eine gute Zukunft ringt. Doch wird unser Herz auch schwer,
denken wir an alle Probleme dieser Tage. Wie wird es weitergehen? Wird
Corona nur eine Phase sein oder alles fundamentaler verändern? Wie
wird sich die Klimaveränderung auswirken, und kommen wir zu spät
mit Maßnahmen dagegen? Auch die persönlichen Dunkelheiten spüren
wir an diesem Erntedankfest vielleicht deutlicher als sonst.
Das Erntedankfest ist eine
gute Haltestelle auf unserer Reise durch das Jahr. Wir können innehalten,
um uns neu zu orientieren, ermutigt zu werden und die Reiseroute wieder
deutlicher in den Blick zu bekommen. Psalm 103 hilft uns, einen Blick weg
von unseren Alltagssorgen hin zu Gott zu werfen. Wir steigen sozusagen
aus dem fahrenden Zug, setzen uns einen Moment an die Haltestelle und lassen
uns von Gott berühren.
Psalm 103,1-6+8
MIT DAVID VERBUNDEN. Lobe
den HERRN, meine Seele! Und alles in mir preise seinen heiligen Namen!
Lobe den HERRN, meine Seele! Und vergiss nicht das Gute, das er für
dich getan hat! Er vergibt dir alle deine Vergehen. Er heilt alle deine
Krankheiten. Er führt dein Leben aus der Todesnähe. Er schmückt
dich mit einer Krone – sie besteht aus Güte und Barmherzigkeit. Er
versorgt dich mit Gutem dein Leben lang, so fühlst du dich jung wie
ein Adler. Der HERR tritt für Gerechtigkeit ein. Allen Unterdrückten
verhilft er zum Recht. Reich an Barmherzigkeit und Gnade ist der HERR,
unendlich geduldig und voller Güte.
Lob
Es ist offenbar nicht
selbstverständlich, Gott zu loben, eine Aufforderung ist nötig:
Lobe! Würden wir heute ohne Erntedankfest für die Ernte, volle
Kühlschränke und Geschäfte danken? An der Haltestelle dieses
Tages werde ich deshalb ganz persönlich gefragt: „Wofür hast
du heute zu danken?“
Eine Streichholzschachtel
ist mir bei der Vorbereitung auf dieses Fest in die Hände gefallen.
Sie half mir, darauf Antwort zu geben. Ich nahm ein Streichholz nach dem
anderen heraus, jedes belegte ich mit einem Grund zum Danken:
-
Ich dankte für die Basis
meines Lebens, genug zu essen, eine Wohnung, Wärme und Schatten, Kleidung
und ärztliche Versorgung.
-
Ich dankte für die Beziehungen,
Menschen, mit denen ich verbunden bin, Familie, Freunde, Weggefährten,
Leute, die ich mag und die mich mögen.
-
Ich dankte für Begegnungen,
ein Gespräch, eine von Gott vorbereitete Begegnung, mit der ich nicht
gerechnet hätte, Hilfe, Stoppschilder und neue Horizonte.
-
Ich dankte für Erfahrungen,
Bewahrung, Gebraucht-Werden, Beschenkt-Werden, Gehalten-Werden in der Not.
Bald war die Streichholzschachtel
leer. Als ich alle Hölzchen vor mir sah, staunte ich über Gottes
Güte, das Lob kam mir aus voller Seele.
Der Psalmbeter erinnert:
„Vergiss es nicht! Nimm die Streichhölzer mit dir. Immer wenn sich
dein Herz zusammenzieht, du unglücklich, überfordert bist oder
dich alleingelassen fühlst, nimm ein Hölzchen aus der Schachtel
und sei gewiss, dass Gott mit dir weitergeht.“
Vergebung
Für den Psalmbeter
ist von allen Geschenken Gottes die Vergebung offenbar am wichtigsten.
Dieser Psalm wird mit David in Verbindung gebracht. Ja, es gab einiges,
was in seinem Leben schiefgelaufen ist. An kriegerischen Auseinandersetzungen
hatte er teilgenommen, Ehebruch hatte er begangen, mit seinen Kindern ist
er nicht klargekommen, was zu Revolten und Zerbruch führte. Mit seinem
Wunsch, die eigene Stärke zu beweisen, brachte er eine Seuche über
seine Leute, sodass am Ende 70.000 Menschen starben. David hatte wohl allen
Grund, um Vergebung zu bitten. Doch nur er? Sind wir nicht auch belastet
von manchem, das in unserem Leben nicht rund gelaufen ist?
Die Streichhölzer
lassen sich auch mit einer anderen Überschrift aus der Schachtel nehmen.
Sie erinnern mich daran, was bei mir falsch gelaufen ist:
-
Ich habe vorschnell über
Menschen geurteilt.
-
Ich habe zu schnell aufgegeben.
-
Ich bin mit Scheuklappen an
der Not anderer vorbeigegangen.
-
Ich habe mich zu wenig eingesetzt,
um Hoffnung zu verbreiten.
-
Ich war zu ungeduldig und
habe zu wenig hingehört.
Gott vergibt, so stellt es
der Psalmbeter fest. Diese Streichhölzer kann ich abbrennen lassen.
In Jesus haben wir Gottes Garantie darauf und noch dazu einen Bewährungshelfer.
Gottes Vergebung setzt unser Konto bei ihm auf 0.
Doch dabei kann es nicht
bleiben, sonst sind wir nach wenigen Tagen wieder im Minus. Die eigentliche
Herausforderung für uns ist das Danach. Wie gehen wir als Begnadigte
in die Zukunft? Wie schaffen wir es, nicht wieder in die alten Routinen
zu verfallen, die gleichen Fehler zu wiederholen? Davor kann uns Jesus
bewahren, uns an die Hand nehmen und aufmerksam machen auf die Fallen,
in die wir treten könnten. Er ruft mir zu: Vorsicht, nicht schon wieder,
denke nach, höre hin, halte dich zurück oder nimm dir ein Herz
und laufe los. Die abgebrannten Streichhölzer helfen mir, mich daran
zu erinnern.
Heilung
Weiter heißt es,
dass Gott unsere Krankheiten heilt und uns aus Todesnähe herausführt.
Gerade hier regt sich bei mir leiser Widerspruch. Viele Krankheiten sind
chronisch, sie werden nicht geheilt in diesem Leben. Nicht jede wird vom
Tod errettet. Ich stehe am Grab eines vergleichsweise jungen Bekannten
und frage mich, warum seine Gebete nicht erhört wurden. Vollmundig
kann ich den Psalm an dieser Stelle nicht mitbeten.
Auch hier hilft mir ein
Blick zu Jesus. Er heilte nicht mit der Gießkanne – alle Kranken
in Kapernaum oder Galiläa. Er wandte sich einzelnen zu, ließ
sie einen Sonnenstrahl aus einem wolkenverhangenen Himmel spüren.
Diese Heilungen waren wie ein Probierlöffel vom Himmel, und besondere
Heilungen als Gebetserhörungen sind es bis heute. Sie lassen uns etwas
von der Ewigkeit kosten, wo wir heil und ganz sein werden, im Frieden leben
dürfen in Gottes unmittelbarer Nähe.
So leitet uns diese Aussage
an, jede einzelne Genesung zu feiern, weil sie nicht selbstverständlich
ist, sondern ein Vorgeschmack auf die Ewigkeit. Sie gibt uns Gewissheit,
dass Gott für uns sorgen wird, auch wenn wir diesen Sonnenstrahl aus
dem Himmel gerade nicht erleben und vielleicht sogar erst im neuen Leben
bei Gott eine Heilung erfahren dürfen.
Gerechtigkeit
Eine Seele, die lobt,
bleibt an der Haltestelle „Erntedankfest“ nicht sitzen. Gott ist gerecht,
er gibt jedem, jeder, was sie braucht, aber er fordert auch die heraus,
die in die Puschen kommen sollten, um zu teilen und aufzuhelfen. Er ist
zugleich barmherzig und herausfordernd, weil niemand nur bedürftig
und niemand nur Helfer sein kann und soll.
Nach dem Atemholen an der
Haltestelle können wir wieder frisch unseren Weg mit Jesus fortsetzen.
Dabei hilft uns unsere Streichholzschachtel. Wir nehmen die Hölzchen
heraus und erinnern uns an Erfahrungen mit Gott. Wir nehmen Hölzchen
in die Hand und verbrennen sie, stellvertretend für das, was uns nicht
gelungen ist, wo wir versagten oder aus Gottes Liebe herausgefallen sind.
Wir nehmen eine leere Streichholzschachtel und füllen sie mit neuen
Erfahrungen. Wir können offen sein für Menschen, die uns begegnen,
unsere Hilfe brauchen oder uns eine neue Sicht ermöglichen. Wir werden
getröstet in schwierigen Phasen und Misserfolgen. Darin sind wir nicht
allein, Jesus ist dabei und will das Gute für uns.
Ich bin neugierig, wie
Gott mir die Streichholzschachtel füllen wird und bin sicher, dass
die Hölzchen reichlicher sein werden, als eine Schachtel fassen kann.
Barmherzig und gnädig
ist der Herr, geduldig und von großer Güte.
(Psalm
103,8 Lutherübersetzung)
Cornelia
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