Gottesdienst am 7.6.2020
in Brombach
Liebe Gemeinde,
in Corona-Zeiten Geburtstag
zu haben, ist herausfordernd. Eine große Party kann man nicht veranstalten,
wenn nur zwei Haushalte zusammenkommen können. Die Möglichkeiten
zum Feiern sind schnell erschöpft. So konnten wir mit einer guten
Freundin leider auch nicht feiern. In Gedanken bei ihr, machten wir an
dem Tag eine kleine Wanderung im Taunus. Als wir gerade vom Parkplatz in
einem kleinen Taunusort wegliefen, trauten wir unseren Augen kaum, an der
Ampel hielt das Auto mitsamt unserer Freundin. Es gab ein großes
Hallo auf der Straße und ein Staunen, wer uns hier zusammengebracht
hatte. War es der Heilige Geist?
Von solch einer Begegnung
berichtet die Apostelgeschichte. Durch eine Verfolgungswelle in Jerusalem,
wurden die Christen der Urgemeinde dort in alle Winde zerstreut. Doch für
die Ausbreitung des Evangeliums von Jesus Christus wurde das zur Chance.
Christen kamen aus ihrer Wohlfühl-Gemeinde heraus in Kontakt zu Menschen,
die sie sonst nie getroffen hätten. Überall entstanden neue Gemeinden.
Philippus, ein leitender
Mitarbeiter in der Jerusalemer Gemeinde, fand sich in Samaria wieder und
begann dort eine Gemeindearbeit. Mittendrin begegnete ihm ein Bote Gottes
und schickte ihn auf eine menschenleere Straße nach Gaza, viele Kilometer
südlich von Samaria. Machte das Sinn? Für Philippus sicher nicht,
der doch in seiner Gemeindeneugründung dringend gebraucht wurde. Doch
er stand auf und ließ sich auf das Abenteuer Gottes ein.
Apostelgeschichte 8,27-31
Philippus stand auf und
ging dorthin. Und sieh doch: Dort war ein Äthiopier unterwegs. Er
war Eunuch und hoher Beamter am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien.
Er verwaltete ihre Schatzkammer und war nach Jerusalem gekommen, um Gott
anzubeten. Jetzt war er auf der Rückreise. Er saß in seinem
Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja. Der Heilige Geist sagte zu
Philippus: »Geh hin und bleibe in der Nähe des Wagens!«
Philippus lief hin und hörte,wie der Mann laut im Buch des Propheten
Jesaja las. Philippus fragte: »Verstehst du eigentlich, was du da
liest?« Der Eunuch sagte: »Wie soll ich es verstehen, wenn
mir niemand hilft?« Und er bat Philippus: »Steig auf und setz
dich zu mir!«
Der Mann aus Äthiopien
Auf der menschenleeren
Straße fuhr ein einsamer Wagen mit einem Mann, der eine Schriftrolle
des Propheten Jesaja las. Wir können nur Vermutungen über den
Äthiopier anstellen. Er hatte wohl Interesse, den Gott Israels besser
kennenzulernen, ist extra nach Jerusalem gereist, um ihm da näher
zu sein. Er war ein hoher Beamter am königlichen Hof, als solcher
musste er Eunuch sein. Wollte er der jüdischen Religion näherkommen,
weil er sich für den einen Gott interessierte? Er hatte in Jerusalem
offenbar eine Schriftrolle erworben, die sollte ihm Auskunft geben, aber
er konnte Jesaja beim besten Willen ohne Hilfe nicht verstehen.
Wie würden wir den
Mann heute beschreiben? Ich stelle ihn mir vor als einen Menschen auf der
Suche. Er hat eine Krisenerfahrung gemacht. Vielleicht ist gerade seine
Beziehung zerbrochen. Vielleicht ist er im Beruf an Grenzen gestoßen.
Vielleicht sind seine oder ihre Eltern gestorben, vielleicht hat sie den
Eindruck, ihr Leben neu sortieren zu müssen.
Jedenfalls hat dieser Mensch,
Mann oder Frau, eine Sehnsucht im Herzen, sich zu verändern, einen
neuen Horizont zu bekommen oder einfach Ruhe für die Seele zu finden.
Vielleicht ist dieser Mensch auch in Corona-Zeiten einfach müde und
braucht Hoffnung, dass nicht alles den Bach runter geht, sondern sich Gott
um ihn kümmert.
Dieser Mann, diese Frau
verirrt sich in eine Kirche, landet auf einer Webseite und hört den
Hinweis, in der Bibel zu lesen. Sie kauft sich eine und fängt an.
Doch spätestens bei den Geschlechtsregistern der ersten Kapitel in
der Bibel gibt sie auf. Was hat das mit ihrem Leben zu tun?
Philippus
Da steht Philippus an
der Kreuzung und nimmt den Äthiopier wahr: „Verstehst du, was du liest?“
Er hört zu, wo Fragen sind. Er antwortet auf die Fragen und erreicht
sein Gegenüber.
Schauen wir uns Philippus
heute an. Es liegt nahe, in ihm Gemeindeleiter, Pastorinnen oder ausgewiesene
Evangelisten zu sehen. Die sind von Gott an die Kreuzungen geschickt und
erzählen anderen von Jesus. Aber ist es so einfach? Gilt nicht das
Rufen des Geistes Gottes jedem Christen? Sind wir nicht alle Philippusse
oder Philippas? Dann würde das für uns bedeuten:
-
Ich bin mir dessen bewusst,
dass Gott mich rufen und losschicken kann.
-
Ich fahre diese Antenne bewusst
aus und achte auf Hinweise, was heute dran ist.
-
Ich bereite mich darauf vor,
überlege mir, was ich jemand erzählen könnte, der mich nach
dem Glauben fragt.
-
Wenn ich Gottes Rufen höre,
stehe ich auf und gehe los.
-
Wenn ich jemand an einer Kreuzung
des Lebens treffe, dann höre ich erstmal zu, was er braucht.
-
Ich lasse mich in der Begegnung
von Gottes Geist leiten. Vielleicht gebe ich der Person etwas weiter, vielleicht
passt es nicht, dann bete ich und segne die Person im Stillen.
Obwohl ich eindeutig zu der
ersten Zielgruppe gehöre, für die Philippus steht, Pastorin bin
und genau weiß, dass solche Begegnungen an Kreuzungen kommen können,
entdecke ich doch auch bei mir Hindernisse: Ich habe meine Antenne eingefahren,
mir ist das Aufstehen und Losgehen zu mühsam, ich habe Angst, etwas
Falsches zu sagen. Und schon ist die Gelegenheit verstrichen, und ich kann
nur hoffen, dass da noch ein anderer Philippus zu der Person geschickt
wird, der es besser macht als ich.
Was mir hilft, ist, mich
bewusst darauf vorzubereiten, dass eine solche Situation heute kommen könnte.
Ich will hören – auf Gott, hören – was mir Menschen heute erzählen,
hören – was Gott dieser konkreten Person mitgeben will, und dann werden
die richtigen Antworten kommen.
Apostelgeschichte 8,35-39
Philippus nahm die Frage
auf. Ausgehend von dem Wort aus Jesaja, verkündete er ihm die Gute
Nachricht von Jesus. Als sie auf der Straße weiterfuhren, kamen sie
an einer Wasserstelle vorbei. Der Eunuch sagte: »Sieh doch, dort
ist eine Wasserstelle. Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?«
Er befahl, den Wagen anzuhalten. Beide, Philippus und der Eunuch, stiegen
ins Wasser, und Philippus taufte ihn. Als sie aus dem Wasser herausstiegen,
wurde Philippus vom Geist des Herrn fortgenommen. Der Eunuch sah ihn nicht
mehr. Aber er setzte seinen Weg voller Freude fort.
Philippus hörte die
Frage des Äthiopiers: „Wer ist der Knecht Gottes, von dem Jesaja redet?“
Er konnte ganz leicht anknüpfen und von Jesus, dem Sohn Gottes erzählen,
der diese Rolle für uns annahm.
Was würden wir von
Jesus erzählen? Es wäre ein spannendes Experiment, uns jetzt
in Kleingruppen aufzuteilen, und jede hätte drei Minuten Zeit, den
anderen das Wichtigste von Jesus zu erzählen. Meine Erfahrung damit
ist, dass es leichter ist, eine Jesus-Geschichte zu erzählen und an
ihr zu veranschaulichen, wer Jesus ist, als den anderen mit Fakten zu konfrontieren.
Dem Äthiopier würde
ich die Zachäus-Geschichte erzählen. Wie Zachäus war der
Eunuch „anders“ als die Mehrheit, hatte viel Geld, aber war damit offenbar
nicht glücklich. Zachäus ist auf einen Baum gestiegen, allein.
Jesus holte ihn herunter und ging mit ihm in sein Haus. Jesus holt auch
den Äthiopier aus seinem einsamen Wagen auf einer menschenleeren Straße.
Er holt ihn ab in seiner Sehnsucht und seinem Schmerz und lädt ihn
in seine Gemeinschaft ein. Zwar wird auf der Landstraße im Gaza-Streifen
nicht gegessen, aber es findet eine Taufe statt, der Finanzbeamte wird
in die Familie Jesu aufgenommen. Er wird allein weiterreisen, doch er weiß
sich von Jesus und der Fürbitte des Philippus begleitet.
Eine gute Hausaufgabe wäre
das für diese Woche, uns zu überlegen, welche Jesus-Geschichte
uns so nahe ist, dass wir sie weitergeben würden, wenn wir jemand
an einer Kreuzung treffen. Geschichten Jesu, die sich mit dem eigenen Leben
verbinden, eignen sich bestens. Sie sind glaubwürdig und helfen unserem
Gegenüber, Jesus zu verstehen.
Der Äthiopier macht
uns in diesen Tagen Mut. Wie wir gerade kontaktbeschränkt sind, so
ist er allein durch die Gegend gefahren. Doch Gottes Geist erreichte ihn,
ließ ihn den Menschen treffen, der ihm helfen konnte, und rief ihn
in eine neue Gemeindefamilie.
Genauso kann es uns gehen
– als Äthiopier, Äthiopierin, die auf der Suche nach mehr ist,
oder als Philippus, Philippa, die erfährt, dass diese Begegnung heute
von Gott vorbereitet ist, weil sie auf einen Menschen trifft, mit dem Gott
seine Geschichte fortsetzen will.
Jesus sagte zu Zachäus
beim Abschied:
„Heute ist in deinem Haus
das Glück Gottes eingekehrt, wie sehr wünsche ich mir, noch mehr
Verlorene zu finden und ihr Leben heil zu machen.“ (Lukas 19,20 Übersetzung
Willkommen Daheim)
Cornelia
Trick
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