Im stillen Kämmerlein
Gottesdienst am 18.07.2004

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
"Entscheidend anders", so lautet der Titel der Verkündigungsabende, auf die wir nach den Sommerferien mit großen Schritten zugehen. Im Vorbereitungskreis ist uns wichtig geworden, dass wir nicht einfach ein "Event" planen, ein herausragendes Ereignis, das kometenhaft aus dem Routinealltag aufsteigt und wie eine Seifenblase wieder zerplatzt, sondern dass wir für Gottes Botschaft, die etwas in unseren Herzen und in den Herzen unserer Freunde verändern soll, Vorbereitung brauchen. Nicht eine Hand voll Organisatoren und Organisatorinnen bereiten ein Seminar zum Thema Glaube vor, sondern die ganze Gemeinde macht sich auf den Weg, um Gott neu zu begegnen und andere zu dieser Begegnung mitzunehmen.

Doch wie geschieht das am wirkungsvollsten? Wir könnten To-do-Listen auslegen mit verschiedenen Tätigkeiten, die für die Abende nötig sind. Wir könnten Festausschüsse gründen, die sich überlegen, wie sie schon im Vorfeld die Freude auf die Abende durch kleinere Vor-Feiern steigern könnten. Wir könnten einen Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit gründen, der das Ereignis in die Medien bringen sollte. Sicher hätten wir auch Aufgaben für Kinderteams, die Küche, die Chöre und den Hausausschuss. Aber würden wir wirklich bei allen Aktivitäten als Gemeinde hinter dem Anliegen stehen, bei diesen Verkündigungsabenden Gott selbst zu begegnen und Jesus als den Herrn des Lebens aufzunehmen? Wäre es durch Ausschüsse und Arbeitsgruppen unsere Herzensangelegenheit geworden, vier Abende im Oktober dabei zu sein mit großer Erwartung und Vorfreude? Ich bezweifele das. Eher wären wir bei diesen vier Abenden schon ganz ausgelaugt von den Vorbereitungen und vielleicht sogar in Streit geraten, weil im Vorfeld nicht alle immer die gleichen Ideen gut fanden.

Deshalb legt sich ein anderer, ein biblischer Weg nahe, um uns auf den Weg zu machen und diese Verkündigungstage zu erwarten. Dieser biblische Weg ist die ganz persönliche Begegnung jedes und jeder Einzelnen mit Jesus Christus und die persönliche Antwort auf seine Frage "Was fängst du mit deinem Leben an, dass es für die Ewigkeit Bestand hat?"

Lassen wir diese Frage an uns heran, suchen wir auf sie eine ehrliche Antwort, sind wir mittendrin im Thema. Wir müssen nicht schon die Antwort parat haben. Vielleicht werden wir eine Antwort ja erst mit den Abenden selbst finden. Aber die Frage muss uns umtreiben und bewegen. Sie hält uns zusammen und lässt alle Vorbereitungen zu einer wirklichen Herzensangelegenheit werden. Sie ist dem Petrus vom auferstandenen Jesus am See Tiberias drei Mal gestellt worden: "Hast du mich lieb?" Sie ist dem Paulus gestellt worden, als er vor Damaskus Jesus begegnete: "Was verfolgst du mich?" Jesus stellt uns diese Frage noch heute und ringt um unser Einverständnis, mit ihm unser Leben zu führen.

Jesus brachte dieses Anliegen seinen Jüngern und Sympathisanten in einer langen Predigt nahe, die er auf einem Berg hielt. Den Höhepunkt und das Zentrum dieser Bergpredigt bildet der Hinweis auf das persönliche Gespräch mit Gott, der in der Gemeinschaft mit Jesus zum Vater wird. Von dieser Begegnung her lässt sich Leben gestalten in allen Herausforderungen, Unabwägbarkeiten und in dem Wissen, auch schuldig zu werden und unzulänglich zu bleiben. Ich bin überzeugt, dass wir diese persönliche Zwiesprache brauchen, um als Gemeinde wirklich miteinander unterwegs zu sein, nicht nur zu dem Nahziel Verkündigungsabende, sondern auch darüber hinaus.

Matthäus 6,5-15

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn  sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. Darum sollt ihr so beten: 
Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.  Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. 
Und  führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn  dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.] (späterer Zusatz in Klammern)
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. 
Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

Wenn Jesus hier von einem stillen Kämmerlein redet, dann meint er einen Ort, an dem wir nicht abgelenkt werden, uns nicht damit aufhalten müssen, auf andere eine Wirkung zu erzielen und nicht damit rechnen können, besondere Anerkennung oder Aufmerksamkeit von anderen zu bekommen. Das Kämmerlein ist ein ganz privater Bereich, von außen unsichtbar, in dem ich alle Antennen ausfahren kann, um mit Gott in Kontakt zu sein. Gibt es einen solchen Ort für Sie, an dem Sie nicht gestört werden und niemand imponieren müssen? Der Ihrer Gottesbeziehung vorbehalten ist? Für manche ist ein solcher Ort das Bett. Sie lesen die Bibel im Bett, beten, lassen Gott zu sich sprechen - oft dann im Traumland, weil das Bett so gemütlich war ... Ich bin überzeugt, dass Jesus von der Gottesbegegnung im stillen Kämmerlein mehr erwartete als eine Gute-Nacht-Geschichte zum besseren Einschlafen. Er meinte doch wohl, dass wir in ein echtes Gespräch mit Gott kommen. Und wenn ich mit jemand ernsthaft reden will, lege ich mich dazu nicht abends abgeschafft ins Bett. Da setze ich mich mit der Person in ein Zimmer, schließe die Tür und sage meiner Familie, dass ich jetzt nicht gestört werden möchte, sie mögen bitte ans Telefon und an die Tür gehen. Ich setzte mich aufrecht hin, schaue mein Gegenüber an und warte zuerst darauf, was die Person, die mich besucht, auf dem Herzen hat. So sollte es auch mit Gott sein. Dass ich äußerlich und innerlich zur Ruhe komme und ein "Bitte nicht stören"-Schild aufhänge, dass ich eine erwartungsvolle Haltung einnehme und nicht in Abwehrstellung gehe. Dass ich meine eigenen Themen erst mal zurückstelle, um auf das zu hören, was Gott mir heute zu sagen hat. Zu Beginn in der Bibel zu lesen bringt meine Gedanken in Gottes Richtung und hilft, ihn wahrzunehmen als mein Gegenüber. Manchen hilft auch die Gestaltung des Raumes, zur Ruhe zu kommen. Eine Kerze auf dem Tisch, ein offenes Fenster mit Blick in die Weite oder Bilder, die die Gedanken in die Tiefe führen. Manche machen Musik oder hören sie und lassen Lieder in ihre Seele dringen. Manche lieben die freie Natur als Ort der Zwiesprache mit Gott. Hier müssen wir unseren individuellen Raum finden, in dem wir Gott begegnen können.

Jesus gibt seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern das Vaterunser mit als Handreichung für die Kommunikation mit Gott. Es ist wie ein Gerüst, an dem wir täglich weiterbauen können. Die Überschrift entfaltet das Thema, um das es im stillen Kämmerlein geht. "Unser Vater im Himmel".

Diese vier Worte sind bedeutsam. Gott stellt sich uns vor als unser Vater. Er ist kein Privatgott, den jede und jeder für sich modellieren kann je nach Wunsch und Vorstellung. Er ist unser Gott, ein Gott, der die Gemeinschaft sucht und von der Gemeinschaft erfahren wird. So öffnet sich das stille Kämmerlein für die Gebetsgemeinschaft. Dabei geht es nicht darum, wer am schönsten und am längsten betet, wer die besten Gebetsideen hat oder die ausgefeilteste Sprache. Diese Gebetsgemeinschaft, die "unser Vater" ruft, weiß um die gemeinsame Erfahrung, dass sich ihnen Gott als liebender und sorgender Vater in Jesus Christus gezeigt hat und dass er mit Jesus alles getan hat, dass wir mit ihm Kontakt haben und frei von Schuld in die Zukunft gehen können. Im Himmel lebt Gott und unterscheidet sich dadurch von allen irdischen Vätern und Müttern in ihrer Begrenztheit, ihrem Fehlverhalten und ihrem Ungenügen. Dieser Vater im Himmel hat zwar ein anschauliches Pendant auf der Erde in unseren Eltern, aber lässt sich nicht darauf festnageln. Er ist nicht das größere Abziehbild der Eltern, sondern im Himmel, außerhalb unserer Kategorien und menschlichen Unzulänglichkeiten. Wie er ist, davon predigt Jesus und das lebt er vor, ein Vater, der um seine Kinder ringt, dem es nicht egal ist, was sie tun und ob sie ihr Leben verschwenden, der das Beste für sie will und ihnen alles zur Verfügung stellt, um zu wachsen. Der aber auch Ablehnung respektiert, eine geschlossene Tür anerkennt und trotzdem nicht aufhört, auf jeden und jede zu warten.

Diesen Gott dürfen wir im stillen Kämmerlein erwarten. Der will uns begegnen und helfen, unser Leben zu meistern. Das Vaterunser führt den Weg dahin in kurzen Sätzen aus. Heute möchte ich mich nur auf die grobe Linie beschränken um in den nächsten Gottesdiensten noch deutlicher auf die einzelnen Aussagen einzugehen.

Jesus empfiehlt uns für das Gebet, den Herrn dieser Welt willkommen zu heißen. Wir können das tun, indem wir uns auf ihn einstellen. Ihn in seiner Größe anerkennen, sein Ziel für unser Leben ins Auge fassen, die Ewigkeit, und seinen Willen für unser Leben heute und hier erbitten.

Für manche mag diese Einleitung viel zu lange dauern. Sie sind ins stille Kämmerlein gerannt mit einem ganzen Sack voller Bitten, die sie Gott vor die Füße kippen wollen. Sie haben gar keine Zeit für lange Willkommensgrüße. Doch Jesus warnt vor solcher Ungeduld. Wenn wir nur abkippen, werden wir taub bleiben für Gottes Stimme. Sein Reich, das kommt, sein Wille, der geschehen soll, werden nicht im Mittelpunkt stehen, sondern nur unsere Bitten und das, was wir von Gott erwarten. Nichts wird sich ändern in unserem Leben. Die scheinbar leeren Säcke werden gleich wieder mit neuen Problemen gefüllt.

Nach der Phase der Einstimmung und dem Hören auf Gottes Willen ist Platz für die persönlichen Anliegen, die in kurzen Sätzen drei Themenbereiche berühren: die Existenzsicherung jetzt, Vergebung und Schuld. Es sind die Themen, die sich wie rote Fäden durch jedes Leben ziehen und so grundlegend sind, dass Jesus sie im Vaterunser als Folie benennt, in die wir unser Leben eintragen können. In der Gegenwart Gottes wird etwas mit diesen Lebensthemen geschehen. Wir werden an Gottes Willen heran geführt und ermutigt, das Unsere dazu beizutragen, dass aus den Sorgen Gebetserhörungen werden.

Die Zeit im stillen Kämmerlein bereitet uns vor auf den Alltag, der die Bewährungsprobe für das Gebet ist. Erstaunliche Auswirkungen lassen sich feststellen. Wer das Hören in der Stille übt, hört Gott auch im lautesten Alltagsgeschrei. Es ist wie mit den Handys. HandyWer seinen Klingelton kennt, hört ihn auch mitten im Einkaufszentrum, wer das Handy nie benutzt, merkt nicht, wenn es mal klingelt. Der Ton geht in der Geräuschkulisse unter. Wenn Christen sagen, dass sie Gottes Stimme in ihrem Leben viel weniger hören als andere, dann liegt es nahe, nicht den Klingelton ihres Handys zu verändern oder ihn sogar lauter zu stellen, sondern den Umgang mit dem Handy einzuüben, das stille Kämmerlein regelmäßiger aufzusuchen, um sich auf Gott einzustellen und ihm nicht immer nur die Säcke mit eigenen Themen hinzukippen. Auch gibt es sicher Situationen, in denen wir das Handy einfach abschalten, weil uns das Dazwischenreden Gottes lästig ist. Da kommt es leicht vor, dass das Handy gar nicht mehr angeschaltet wird und wir uns wundern, dass Gott so gar nicht auf uns reagiert. Warum sollte er auch, wenn wir ihn bewusst aussperren und dann sogar vergessen, die Tür wieder zu öffnen? Zeigt sich in dem Vergessen nicht am deutlichsten, wozu wir Gott brauchen, nämlich als Müllkippe und nicht als willkommenen Vater im Himmel, der uns auf unser großes Lebensziel einstimmt?

Vielleicht sagen Sie jetzt: Ja, das hört sich gut an, aber vorstellen kann ich mir das nicht, mit Gott allein in der Abstellkammer zu sitzen, eine Kerze anzuzünden und mit ihm zu reden. Dann bitten Sie ihn doch, dass er Sie zu dem Ort führt, an dem Sie mit ihm allein sein können und das nicht als Muss oder Zwang erleben, sondern als ganz große Freude.

Die Gebetsgemeinschaft kann ein Ort sein, Gottes Gegenwart ganz persönlich zu erleben, auch sein Reden, denn Jesus hat zugesagt, dass er dabei sein wird, wo zwei oder drei sich zum Gebet zusammen finden. In einer solchen Gruppe schaut nicht eine auf das Gebet des anderen und bewertet es, sondern miteinander wird Gott willkommen geheißen, auf Gott gehört und werden die Anliegen genannt. Auch wenn Sie sich nicht vorstellen können, in der Gemeinschaft laut zu beten, so sind Sie dabei mit Ihrem leisen Gebet und dürfen den Zuspruch und die Ermutigung Gottes durch das Gebet der anderen erfahren. 

Die Verkündigungsabende unserer Gemeinde beginnen im stillen Kämmerlein, in der persönlichen Begegnung mit Gott. Wir tun gut daran, uns vom Alltag nicht abhalten zu lassen, diesen Ort aufzusuchen und neue Wegweisung zu erfahren. Die ruhigeren Sommermonate sind Chance, dieses Kämmerlein lieb zu gewinnen und andere zum Mitbeten einzuladen. Wir werden Mut bekommen, das Erfahrene umzusetzen, Gottes Auftrag in unserer Umgebung wahrzunehmen und Menschen einzuladen, mit zu den Verkündigungsabenden zu kommen. Nehmen wir uns Zeit für das Hören, es kann zu überraschenden Einsichten führen.

Cornelia Trick


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