Großzügig wie Jesus (Matthäus 20,1-15)
Gottesdienst am 13.9.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
eine Religionsstunde in der Schule werde ich nie vergessen. Unser Lehrer verteilte Rollen für ein Anspiel. Es sollte die Stunde vor den Zeugniskonferenzen gestaltet werden. Wir waren eingeteilt in Schüler, die eine eins erwarteten, Schüler im Mittelfeld und eher schwache Schüler. Der Lehrer fing mit den Besten an, die bekamen ihre Eins. Doch schon im Mittelfeld gab es Unruhe. Zu einer sagte er zum Beispiel: „Du hast dich so bemüht. Deshalb gebe ich dir eine Eins, obwohl du schriftlich auf Drei stehst.“ Richtig krass wurde es, als er bei den Schülerinnen und Schülern ankam, die ständig fehlten oder einfach während des Unterrichts schliefen. Denen wollte er auch eine Eins geben. Empört angegriffen von den Einser-Kandidatinnen und -Kandidaten, meinte er, dass die schwächeren Schüler eine besondere Motivation bräuchten, in anderen Fächern sicher auch schlecht wären und die gute Note als Ausgleich gebrauchen könnten.

Als wir wieder aus unseren Rollen aussteigen durften, entspann sich eine lebhafte Diskussion. Ist das gerecht? Wozu haben wir uns angestrengt, meinten die, die die Rolle der Einser-Kandidaten hatten, wenn es am Ende gar nichts austrug? Wird überhaupt noch jemand die Schule ernstnehmen, wenn man die guten Noten hinterhergeschmissen bekommt? Und die Bevorzugten, wie fühlten sie sich während des Rollenspiels? Sie erzählten, dass es für sie unangenehm war. Sie fürchteten, in der Klassengemeinschaft schlecht angesehen zu werden.

Anregung zu diesem Rollenspiel gab ein Gleichnis Jesu.

Matthäus 20,1-15
Das Himmelreich gleicht einem Grundbesitzer: Er zog früh am Morgen los, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Lohn von einem Silberstück für den Tag. Dann schickte er sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder los. Da sah er noch andere Männer, die ohne Arbeit waren und auf dem Marktplatz herumstanden. Er sagte zu ihnen: ›Ihr könnt auch in meinen Weinberg gehen. Ich werde euch angemessen dafür bezahlen.‹ Die Männer gingen hin. Später, um die sechste Stunde, und dann nochmal um die neunte Stunde machte der Mann noch einmal das Gleiche. Als er um die elfte Stunde noch einmal losging, traf er wieder einige Männer, die dort herumstanden. Er fragte sie: ›Warum steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum?‹ Sie antworteten ihm: ›Weil uns niemand eingestellt hat!‹ Da sagte er zu ihnen: ›Ihr könnt auch in meinen Weinberg gehen! Am Abend sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: ›Ruf die Arbeiter zusammen und zahl ihnen den Lohn aus! Fang bei den Letzten an und hör bei den Ersten auf.‹ Also kamen zuerst die Arbeiter, die um die elfte Stunde angefangen hatten. Sie erhielten ein Silberstück. Zuletzt kamen die an die Reihe, die als Erste angefangen hatten. Sie dachten: ›Bestimmt werden wir mehr bekommen!‹
Doch auch sie erhielten jeder ein Silberstück. Als sie ihren Lohn bekommen hatten, schimpften sie über den Grundbesitzer. Sie sagten: ›Die da, die als Letzte gekommen sind, haben nur eine Stunde gearbeitet. Aber du hast sie genauso behandelt wie uns. Dabei haben wir den ganzen Tag in der Hitze geschuftet!‹ Da sagte der Grundbesitzer zu einem von ihnen: ›Guter Mann, ich tue dir kein Unrecht. Hast du dich nicht mit mir auf ein Silberstück als Lohn geeinigt? Nimm also das, was dir zusteht, und geh! Ich will dem Letzten hier genauso viel geben wie dir. Kann ich mit dem, was mir gehört, etwa nicht das machen, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich so großzügig bin?‹ 

Wie im Himmel …
Die Geschichte, die Jesus seinen Anhängerinnen und Anhängern erzählt, will uns etwas über den Himmel erzählen, über eine Welt, wie Gott sie gemeint hat. Er meint damit nicht die Ewigkeit in ferner Zukunft, sondern unsere Welt, wenn sie nach dem Willen Gottes funktioniert. Wenn wir diese Geschichte auf uns wirken lassen, werden die Schwachstellen unseres Alltags deutlich, wir merken, wie weit wir von diesem Ideal entfernt sind.
Der Grundbesitzer spiegelt den Himmel wieder. Seine Handlungen sollten wir genau beobachten, um eine Ahnung von Gottes Welt zu bekommen.

Zwei Handlungsorte werden beschrieben. Der Marktplatz, auf dem sich Arbeitssuchende bereithalten, um von irgendwem für einen Tageslohn angeheuert zu werden, und der Weinberg als Arbeitsplatz.
Der Grundbesitzer geht insgesamt fünfmal los, um neue Arbeiter zu gewinnen. Gleich kommen mir dazu Fragen. Warum macht er das? Hat er seinen Arbeitskräftebedarf schlecht geplant? Waren die Pflücker zu langsam? War es Kalkül, um möglichst wenige Arbeitskräfte zu brauchen? Wir wissen es nicht, es ist wohl nicht wichtig. Dagegen fallen andere Details in der Erzählung auf.

Nur mit der ersten Gruppe ganz früh morgens verhandelt der Chef über die Höhe des Lohns. Wer damals Jesus reden hörte, wusste, dass ein Silberstück der Familie das Überleben für einen Tag sichern würde. Bei den vier späteren Gruppen lässt er die Arbeiter im Ungewissen. Einen angemessenen Lohn will er zahlen. Sie wissen ziemlich sicher, dass das Geld nicht für den Unterhalt ihrer Familien reichen würde.

Bei der Auszahlung des Lohns tritt der Grundbesitzer erst gar nicht in Erscheinung. Ein Verwalter teilt die Lohntüten aus. Warum tritt der hier auf? Vielleicht ist er Platzhalter für unsere mögliche Rolle, selbst „Verwalter“ der Güte Gottes zu werden und sie weiterzugeben. 

Den Schlüsselsatz spricht der Weinbergbesitzer am Ende. Er kann doch jedem soviel geben, wie er will. Mit den Ersten hatte er sich auf ein Silberstück geeinigt, genug für einen Tag, was interessieren sie dann die Lohntüten der anderen?

Ist der Grundbesitzer ein Hinweisgeber auf das Himmelreich, bedeutet das: Dem Himmel gemäß bekommt jeder und jede von Gott das, was er oder sie braucht, egal wie die Leistungsbilanz am Ende ist. Und was braucht er oder sie? Die Bereitschaft, sich von Gott werben zu lassen, Gottes Zusagen persönlich in Anspruch zu nehmen.

… so auf der Erde?
Schauen wir uns die verschiedenen Gruppen im Gleichnis an. 

  • Die Ersten: Immer schon waren sie ganz nahe bei Jesus, haben viel investiert in die Gemeinde. Vielleicht hatten sie an vielen Wochenenden beim Kirchenbau mitgeholfen, ihre Freizeit geopfert, Sitzungen besucht, Ämter übernommen oder für unzählige Gemeindefeste gekocht und gebacken. Nicht bewusst, aber unterschwellig erwarten sie, dass sich das doch irgendwie auszahlen muss. Ein leichterer Lebensweg, ein gnädiges Sterben ohne lange Leidenszeit, ein sicherer Platz im Himmel, das erhoffen sie sich.
  • Die Letzten: Sie sind Trittbrettfahrer, haben nie wirklich aktiv mitgearbeitet im Kontext der Gemeinde. Wenn sie aufgetaucht sind, hatten sich alle über sie gefreut, aber so richtig verbindlich sind sie nie gewesen. Die Ersten hatten durchaus Phantasien zu ihnen: Sie sollten sich endlich irgendwo einbringen, ihrem Glauben sichtbar Ausdruck verleihen. Und sie selbst? Sie haben einfach Zweifel, welchen Stellenwert Gott in ihrem Leben haben soll. Sie wollen nicht unehrlich sein und halten sich deshalb lieber im Abstand.
  • Die Mittleren: Sie sind nicht ganz aktiv, aber bereit, immer mal mit anzupacken. Sie wissen um Zweifel, um Zeiten der Unsicherheit und anderer Prioritäten. Aber sie wissen aus ihrer Lebensgeschichte, wie wichtig Gott gerade in Zeiten der Schwäche ist und wie er sich gerade da zeigt. Vielleicht bedauern sie das Auf und Ab ihrer Gottesbeziehung, denn das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit in Gott können dauerhaft nur die Ersten haben.
Wo würde ich mich dazustellen? Ja, ich bin wahrscheinlich am ehesten bei den Ersten, war schon immer dabei und das auch sehr engagiert. Ich lerne viel von dem Gleichnis Jesu. Ich bin dankbar, dass ich mein Leben lang die Güte Gottes erfahren durfte. Ich weiß, dass ich im Letzten in seiner Hand geborgen bin und diese Hand immer unter mir ist, egal wie tief der Fall sein wird. Ich werde durch Jesu Geschichte ermahnt, von anderen nicht das Gleiche zu erwarten. Sie haben ihre eigene Geschichte mit Gott, egal, ob sie nach jedem Gemeindefest abwaschen oder nicht. Ich bitte um Gottes Blick auf sie, der voller Güte ist. Ich möchte sie werben, nicht zur Arbeit im Reich Gottes, sondern für die Beziehung zu Jesus, denn der allein kann ihre Zweifel und Unsicherheiten beantworten. Dass sie aus dieser Beziehung heraus sich für Gottes Welt einsetzen werden, da bin ich mir sicher.

Ich stelle mich zu den Mittleren. Vielleicht habe ich als eine in der Mitte dieser Geschichte das Gefühl, dass Gott mich gar nicht braucht. Ich drücke mich auf dem „Marktplatz“ herum, hätte gerne einen Platz, wo ich mich einbringen könnte, würde gerne mehr dazu gehören. Ich lerne in dem Gleichnis, dass Gott auch für mich Aufgaben hat, dass er mich braucht in dieser Welt, dass er mir begegnen will. Und dass er für mich sorgt, auch wenn meine Leistungsbilanz eher negativ ist. 

Ich stelle mich zu den Letzten. Dort stehen auch die, um die sich Jesus besonders kümmerte, Versager in der Gesellschaft, Ausgeschlossene, Menschen, die Schuld auf sich geladen hatte. Ich nehme dieses Gleichnis wörtlich und höre, dass Gott für mich sorgt. Wichtig ist, dass ich mich von ihm rufen lasse, die Gemeinschaft mit ihm suche. Wie das aussehen könnte? Ich denke an eine Frau, die mit großen Fragen an Gott zu mir kam. Wir trafen uns ein paar Mal. Sie fing an, Lebensgeschichten von Christen zu lesen und die Bibel zu entdecken. Ob sie sich letztlich verbindlich für Jesus entschieden hat? Ich weiß es nicht, aber sie öffnete sich für ihn, und ich hoffe, er ist ihr persönlich begegnet, um sie in den „Weinberg“ zu rufen.

Der Lehrer in der Schule machte mit uns ein Experiment, das in keiner Schule funktionieren kann. Die Maßstäbe Gottes und des Himmelreiches lassen sich nicht auf die Schule herunterbrechen. Aber wir lernten schon damals, dass Gott nicht nach Leistung bezahlt, nicht die Ersten bevorzugt und die Letzten leer ausgehen lässt. Er gibt uns das, was wir brauchen. Und wir sollten vorsichtig sein, andere zu beurteilen, was ihnen von Gott her zusteht. Seine Güte reicht weiter und färbt im besten Fall auf uns ab. Denn wir sind seine Verwalter, die die Güte weitergeben können in unser Umfeld.

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_grosszuegig_wie_jesus.htm