Gottes Licht kommt (Jesaja 60,1-3+20)
Gottesdienst am 29.11.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
in der Nacht der US-Wahl Anfang November sind wir um 4.30 Uhr aufgestanden und beobachteten gespannt die Auszählung. Als wir lüfteten, stellten wir erstaunt fest, dass das Federvieh in den Gehegen des Kleintierzüchtervereins im Abstand von einem knappen Kilometer Luftlinie schon sehr wach war und vielstimmig krähte. Der Himmel war noch schwarz, keinen Morgenschimmer erkannte man am Horizont, aber die Hähne kündigten bereits den neuen Tag an. 

Advent ist diesem Erlebnis sehr ähnlich. Wir kommen vom Ewigkeitssonntag her. Trauer und Abschied waren die Themen des Novembers. Noch hat sich nichts geändert, die Welt sieht so ähnlich aus wie vor einer Woche. Doch es bricht ein neues Licht herein und gibt Hoffnung. Advent kündet an, dass die Nacht nicht ewig währt, zu erahnen sind Licht und eine neue Zeit. Gott ist unterwegs, und darauf können wir uns vorbereiten.

Davon spricht auch Jesaja im dritten Teil des Jesajabuches.

Jesaja 60,1-3+20
Der HERR sagt: »Steh auf, du trauernde Zionsstadt! Lass dein Gesicht hell strahlen, denn dein Licht kommt: Die Herrlichkeit des HERRN geht über dir auf wie die Sonne! Auf der ganzen Erde liegt Finsternis, die Völker tappen im Dunkel; doch über dir strahlt dein Gott auf, der Glanz seiner Herrlichkeit geht über dir auf. Alle Völker machen sich auf zu dem Licht, das sich über dich ergießt, und ihre Könige wollen den Glanz sehen, in dem du strahlst. Darum wird dein Licht niemals untergehen wie die Sonne oder abnehmen wie der Mond. Ich leuchte dir in alle Ewigkeit und deine Trauer wird für immer ein Ende haben.

Gerade ist das babylonische Exil im 6.Jahrhundert vor Christus zu Ende gegangen. Die Israeliten durften nach vielen Jahren wieder in ihre Heimat Jerusalem zurückkehren. Wie sehnsüchtig hatten sie darauf gewartet, mehr als eine Generation lang. Zum Vergleich, wir warten noch nicht einmal ein Jahr auf einen Impfstoff gegen Corona.

Doch es zeigt sich, dass die Rückkehr längst nicht so strahlend verläuft wie erhofft. Viele wollen gar 
nicht in die alte Heimat zurückkehren. Sie haben sich in der Fremde arrangiert. Wer zurückkommt, muss sich erst seinen Platz erkämpfen. Die wenigen, die dort bleiben durften, hatten sich breit gemacht, und von den Babyloniern neu Angesiedelte verteidigten ihren Platz. Jerusalem ist in desolatem Zustand, die Stadtmauer geschliffen, der Tempel geplündert und zerstört, überall Ruinen. Wo sollen sie hier neu anfangen, und sieht so die verheißene Heilszeit aus? 

Jesaja deutet das Geschehen. Die Rückkehr ist der erste Schritt, ein Hahnenschrei vor Anbruch des Tages, noch nicht die leuchtende Mittagssonne. Gott steht zu seinem Wort. Er kommt in die Finsternis und wird sie hell machen. Zwischen diesem Anfang, der noch so dunkel und bedrückend erscheint, und der neuen Zeit Gottes im Licht haben Jesajas Aufforderungen ihren Ort: „Steh auf! Werde Licht! So wird Gottes Licht auf dein Licht treffen.“

Dein Licht kommt
Der Advent hat Jesu Kommen zum Thema. Hier und heute erwarten wir Jesus in den Dunkelheiten unseres Lebens und dieser Welt. Als Jesus unter den Menschen wirkte, wurde das für sie offensichtlich. Er heilte Kranke, er befreite sie von Mächten, die sie lebensfeindlich im Griff hatten, er stellte sich gegen die Führenden, um für die Armen einzutreten.

Jesus, der Auferstandene, wirkt weiter unter uns. Wir hoffen darauf, dass er uns Zuversicht schenkt, Kraft, Gelingen für unsere Vorhaben, die wir mit Gott im Einklang planen. Wir hoffen auf Jesus, dass er uns Türen in die Zukunft öffnet. Gerade in diesem Jahr sehnen wir uns nach dieser offenen Tür, dem Licht in der Dunkelheit – dass wir zu einem neuen, leichtfüßigen Miteinander zurückfinden, einander physisch nahe sein und unbeschwert Kontakte pflegen und neu knüpfen können.

Jesus, der Jesajas Worte aufgreift und von sich sagt: „Ich bin das Licht der Welt“, sagt uns das zu. Er führt uns ins Licht, darauf dürfen wir vertrauen. Es ist wie das erste Türchen im Adventskalender, das die Richtung angibt, aber noch nicht alles enthüllt.

Wir erwarten Jesus jedoch nicht nur in unserem Alltag, sondern – das bedeutet Advent ursprünglich - hoffen auf ihn, dass er wiederkommt und die Zeitenwende einläutet. Dass mit ihm Gottes Reich anbricht und seine Herrlichkeit überall sichtbar wird.

Vielleicht ist diese Vorstellung sehr zurückgedrängt und eher theoretischer Natur. Wer feiert im Advent den kommenden Jesus, den alle sehen werden, das neue, kommende Reich Gottes. Doch darauf läuft die Zeitgeschichte hin. Am Ende wartet eine neue Welt, in der Friede sein wird mit Gott in der Mitte, erlösten Menschen und einer intakten Natur.

Wir erfahren fast täglich einen kleinen Advent. Jesus kommt in unsere Niederungen, in ein schwieriges Gespräch, in eine Arztpraxis, bewahrt uns im Straßenverkehr. Das sind die Türchen des Adventskalenders, die auf die große Tür zuführen, wann immer die geöffnet wird, ob wir es noch selbst erleben oder nicht.

Was das für uns bedeutet, macht Jesaja in seiner Aufforderung klar: Steh auf! Lass dein Gesicht hell strahlen! Wir sollen nicht im Dunkeln verharren und warten, bis es endlich hell wird, sondern es den Hühnern und Hähnen gleichtun. Wir können uns vorbereiten und so dem Licht entgegengehen.

Steh auf!
In diesen Tagen schmücken viele von uns wieder ihre Häuser. Warum tun wir das? Wahrscheinlich, um in dieses Weihnachtsgefühl hineinzuwachsen, um etwas von dem Licht schon in die Vorbereitungszeit zu holen. Unser Schmuck beinhaltet viel Symbolik:

  • Mit grüner Tanne erinnern wir uns an den Lebensbaum im Paradies. Dieses Symbol gibt Hoffnung sogar mitten im Sterben. Wir können uns an Jesus festhalten und mit ihm in Ewigkeit leben.
  • Wir entzünden Kerzen in der Dämmerung. Sie machen deutlich, dass schon etwas Licht reicht, um einen dunklen Raum zu erleuchten. Ein Gedankenimpuls kann dazu führen, wieder neu Orientierung von Gott für das eigene Leben zu bekommen.
  • Wir backen Plätzchen, dieses Jahr wohl ganz besonders, wie mir ein Lebensmittelhändler diese Woche erzählte. Wir setzen damit den bitteren Erfahrungen etwas Süßes entgegen. Ein Plätzchen ist keine ganze Torte, aber eine Verheißung, dass Gott sich wieder zeigt, auch in schweren Situationen. So ein Plätzchen kann übertragen eine Liedstrophe sein, die im Kopf summt, eine Erinnerung, die wärmt, oder ein Wort, das uns wie vom Himmel geschickt ins Herz trifft.
  • Selbst den Rentieren in manchen Vorgärten kann ich etwas Symbolhaftes abgewinnen. Gott kommt auf uns zu, aus einer anderen Wirklichkeit. Wir haben sein Kommen nicht in der Hand, können es nicht planen. Es ist überraschend, überwältigend. Warum nicht daran denken, wenn wir solche erleuchteten Tiere in Vorgärten sehen, wie Jesus uns begegnen will, heute und hier?
Werde Licht!
Wie können wir Licht werden? Wie bei einer Kerze, die ein Streichholz braucht, um zu brennen, wird es darum gehen, uns von ihm das Licht geben, uns entzünden zu lassen, und dazu brauchen wir Zeit. Eine kleine Pause im Alltag, die wir mit ihm verbringen. Vielleicht hilft uns ein Kalender dabei, ein Buch, Gespräche oder ein Spaziergang. Vielleicht finden wir eine Ecke, die wir als unseren Advents-Pausenraum gestalten, wo es uns leichter fällt, uns auf Jesus einzulassen. So entzündet von Jesu Liebe können wir das Licht weitertragen.

Letztes Jahr schickte mir jemand eine Haushaltskerze mit einer Karte. Sie schrieb: „Ich wünsche dir eine gesegnete Adventszeit. Die Kerze möge dich in diesen Tagen begleiten und dich erinnern, dass Jesus für dich da ist.“ Eine schöne Idee ist es, eine einfache Kerze zu verschenken, vielleicht mit einer Adventsgeschichte.

In der Adventszeit können wir uns Zeit für andere nehmen, sie anrufen, mit ihnen spazieren gehen, ihnen eine Nachricht schicken. Ihnen ein Licht anzünden, das vielleicht gerade an dem Tag ihren Alltag hell macht.

Wir können darauf achten, wie wir reden. Fallen wir ein in das allgemeine Gejammer, was uns alles gerade fehlt, oder reden wir davon, was wir dankbar haben und was wir unverdient geschenkt bekommen?

Dieses Jahr wird Advent mehr im Inneren, in unseren Herzen und Häusern, als im Äußeren auf Märkten und großen Treffen stattfinden. Es ist, wie wenn Maria und Josef nicht zur Volkszählung ins Gewühl der Menschen nach Bethlehem hätten reisen müssen, sondern online hätten einen Fragebogen ausfüllen können. Vielleicht haben wir die einmalige Chance, diese Tage weniger hektisch zuzubringen als gewohnt. In einem Kommentar zu dem prognostizierten Weihnachten im „Lockdown“ las ich: „Die Christen feiern dieses Jahr das Eigentliche, für die anderen fällt Weihnachten aus.“ Wir öffnen mit jedem Tag Türen des Adventskalenders, denn wir sind unterwegs mit dem, der Licht ist und Licht gibt und der, wenn er wiederkommt, diese Welt hell und neu machen wird. Das ist ein Grund zum Feiern!

Cornelia Trick


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