Gottesdienst am 2.2.2020
in Brombach
Liebe Gemeinde,
beim Kaffeetrinken unterhielten
wir uns über Glauben und Kirche. Einer meinte, er könnte nicht
begreifen, warum nicht alle Kirchen gemeinsame Sache machen würden.
Die Aufspaltung in verschiedene Glaubensrichtungen beschädige doch
die Glaubwürdigkeit und nähme Kraft. Am Abend desselben Tages
hielt ich eine Predigt in einer anderen Gemeinde, es war Allianzgebetswoche.
Eine Frau stellte mir am Ausgang die Frage: „Sagen Sie mir doch jetzt mal,
was Besonderes an den Methodisten ist?“ Ich erzählte ihr von John
Wesley, unserem Kirchenvater im 18.Jahrhundert in England, was ihm wichtig
war, was uns heute noch wichtig ist. Ihre Antwort: „Ja, das glauben und
leben wir doch auch in unserer Evangelischen Gemeinschaft. Warum machen
wir dann nicht gemeinsame Sache?“
Gerade werden wir durch
die ökumenische Bibellese durch den 1.Korintherbrief geführt.
Er spiegelt ein sehr frühes Stadium der Kirchengeschichte wieder.
Es gab eine christliche Gemeinde in Korinth, noch nicht die Vielzahl an
Gemeinden, wie wir sie allein in unserem Umkreis finden. Aber diese eine
erste Gemeinde in Korinth deutet Entwicklungen an, die zu unserer Situation
heute geführt haben.
Paulus schrieb den Korinthern,
nachdem er Anfragen von ihnen bekommen hatte und über gewisse Vorfälle
informiert worden war. Als Gründer dieser Gemeinde lag ihm viel an
den Korinthern. Er wollte mit seinem Brief helfen, dass sie den Auftrag
Jesu wieder neu entdeckten und sich nicht in Befindlichkeiten verstrickten.
Vielleicht gibt Paulus
damit auch uns Antwort auf die Frage, wie wir Einheit als Christen leben
können, obwohl wir in verschiedenen Gemeinden mit unterschiedlichen
Prägungen zuhause sind.
1.Korinther 1,4-9
Ich danke meinem Gott
immer wieder für die Gnade, die er euch durch Christus Jesus geschenkt
hat. Durch ihn hat Gott euch an allem reich gemacht: Reich an der Fähigkeit
zu reden und reich an Erkenntnis. In gleicher Weise hat Gott der Botschaft
von Christus bei euch einen festen Grund bereitet. Deshalb fehlt euch keine
der Gaben, die er in seiner Gnade schenkt. So vorbereitet, erwartet ihr
das Erscheinen unseres Herrn Jesus Christus. Gott wird euch helfen, bis
zum Schluss fest auf diesem Grund zu stehen. So kann an dem Tag, wenn unser
Herr Jesus Christus kommt, keine Anklage gegen euch erhoben werden. Gott
ist treu. Er selbst hat euch berufen zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus
Christus, unserem Herrn.
Eine großartige Gemeinde
…
Paulus beginnt mit Dank
für die Gemeinde. Er dankt für die Gnade Gottes, die an der Gemeinde
sichtbar wird. Ich habe mich gefragt, was sich hinter dem Begriff Gnade
Gottes verbergen könnte:
Die Korinther sind Jesus
ohne eigene Aktivität begegnet. Sie hatten ja noch nicht einmal gewusst,
dass es ihn überhaupt gab, weit weg von Jerusalem, unkundig in den
Schriften der Bibel. Jesus hatte sich jedem und jeder Einzelnen in den
Weg gestellt und sie an die Hand genommen. Jesus führte die Einzelnen
zusammen zu einer Gemeinschaft und formte selbst die Gemeinde.
Mir kommt dazu eine Situation
aus Jungschartagen. Wir waren unterwegs bei einer Nachtwanderung, ca. 20
Leute. Wir sollten uns ein bisschen verstreuen. Es war wahrscheinlich Neumond
oder bewölkt, jedenfalls sah ich kaum die Umrisse des nächsten
Baumes, geschweige denn einen anderen aus der Gruppe. Es war gruselig.
Wahrscheinlich war ich ja nur wenige Minuten auf mich allein gestellt,
es dehnte sich für mich zur Ewigkeit. Da endlich sah ich eine Taschenlampe
von Ferne leuchten, sie gab mir Orientierung. Ich hörte die Stimme
der Jungscharleiter und war bald wieder zurück am Sammelplatz.
Im Geländespiel des
Lebens irrten die Korinther durch einen dunklen Wald. Da sahen sie Jesus,
das Licht, er sprach sie an, er sammelte sie ein, sodass sie bald am Sammelplatz
„Gemeinde“ waren und dort in Sicherheit. Das ist Gnade, Jesus sucht
uns im Geländespiel unseres Lebens, findet uns und bringt uns zum
Sammelplatz, wo wir ihn erleben, aber auch die Gemeinschaft der anderen
als Hilfe, Stärkung und Schutz.
Die Gemeinde strahlt die
Freude über diese Gnade aus, die Gnade wird sichtbar. In Korinth gestalteten
die Gemeindeleute ein reiches Gemeindeleben, es wurde über Gott nachgedacht,
gebetet, Gott gelobt mit Händen und Füßen, die Gaben des
Geistes waren überreich vorhanden, viele konnten predigen, lehren,
in Sprachen reden, Heilungen geschahen, einige hatten prophetische Eindrücke.
Die Gemeinde stelle ich mir vor wie ein kleines Fußballstadion, Begeisterung,
Freude und Sieg wurden gefeiert.
… und was hinter den Kulissen
geschah
Doch Paulus wusste, dass
es in der Gemeinde auch noch eine andere Realität gab. Man hatte sich
in verschiedene Parteien aufgespalten. Die einen meinten, dass sie Petrus
Verkündigung folgen sollten, die anderen hielten Apollos hoch, einen
charismatischen Prediger, der sie für sich einnahm, wieder andere
hielten sich zu Paulus, und eine Partei meinte, sie wäre die, die
Jesus am wörtlichsten vertreten würde. Sie stritten darum, wer
Recht hatte, und verloren nach und nach aus dem Blick, dass sie zusammengehörten
und nur Jesus ihre Mitte war.
Unsere Kirche kennt diese
Realität sehr gut aus eigenem Erleben. Seit Monaten ringen wir darum,
mit unterschiedlichen Erkenntnissen, wie Jesus Homosexualität beurteilen
würde, zusammenzubleiben oder uns zu trennen, weil die Spannung zu
groß wird. So wird Paulus Ausführung sehr aktuell.
Der Apostel ruft dazu auf,
sich darauf zu besinnen, worin sich Christen einig sind:
-
Jesus gibt uns die Liebe Gottes
ins Herz, die uns verändert. Er übernimmt unsere Pakete an Schuld,
Verletzungen und Schmerzen, trägt sie ans Kreuz.
-
Wir können Jesus vertrauen,
Gott will das Beste für uns, dafür steht Jesus ein.
-
Wir können Jesu Kraft,
seinen Geist in Anspruch nehmen. Aus dieser unerschöpflichen Quelle
holen wir unseren Mut, unsere Motivation, unsere Liebe.
-
Jesus ruft uns zum „Sammelplatz
Gemeinde“. Die Gemeinde gibt uns Gemeinschaft, fördert uns, und mit
ihr können wir in dieser Welt wirken.
In diesen Grundaussagen werden
wir mit allen Christen aus ganz unterschiedlichen Gemeinden einig sein.
Doch wie sieht diese Einheit
aus?
Vom Weihnachtsmarkt brachte
ich vor Jahren einen geschliffenen Glasanhänger fürs Fenster
mit. Wenn die Sonne nun durchs Fenster scheint, leuchtet das Kristall in
allen Regenbogenfarben je nach Lichteinfall. Mal grün, mal in allen
Farben gleichzeitig, mal nur hell. An diesen Glasanhänger denke ich,
wenn ich mir Einheit der Gemeinde vorstelle. Der Korpus unseres Glaubens,
Jesus Christus, ist für uns alle der Mittelpunkt. Doch je nach Standort
haben wir unterschiedliche Schwerpunkte und Sichtweisen. Das betrifft verschiedene
Felder unseres Glaubens:
-
Die Bibelinterpretation: Manche
setzen voraus, dass die Bibel wörtlich zu verstehen ist. Für
sie ist die Welt in sieben Tagen erschaffen worden, und Gebote aus einer
anderen gesellschaftlichen Situation gelten nach wie vor. Andere hingegen
lesen die Bibel als ein Zeugnis von Menschen, die mit Gott unterwegs waren,
in der engen Verbindung zu ihm aufgeschrieben haben, was sie damals erlebten.
Die gleichen Aussagen, die die einen wörtlich nehmen, sind für
die anderen Glaubensaussagen, die in unsere Zeit transportiert werden müssen.
-
Christsein im Alltag: Wir
alle sind uns wohl einig, dass Jesus uns zu Nächstenliebe, individueller
Hilfe und Uneigennützigkeit aufruft. Doch für einige geht es
weiter, sie sehen darin auch einen Aufruf, sich politisch für die
Beseitigung von Unrecht einzusetzen oder sich für die Bewahrung der
Schöpfung stark zu machen. Wieder andere meinen, dass das Wichtigste
ist zu beten, und alles andere tut der Herr, auch das beruht auf Aussagen
Jesu.
-
Das Wiederkommen Christi am
Ende der Zeiten: Klar sagte Jesus, dass er am Ende dieser Welt wiederkommen
wird, um sein Reich heraufzuführen. Auch das wird unterschiedlich
gelesen. Man geht davon aus, dass Jesus seinen Plan verfolgt und unsere
Aufgabe ist, die Gemeinde auf sein Kommen vorzubereiten, oder man pflanzt
trotz drohendem Weltende Apfelbäumchen, solange es geht, denn niemand
weiß Tag oder Stunde, wann Jesus wiederkommt.
Jede dieser Aussagen gründet
auf Aussagen der Bibel, die Etiketten „richtig“ oder „falsch“ verfehlen
den Sachverhalt. Viel wichtiger ist es wohl, offen zu sein für neue
Wege, Jesus die Chance zu geben, uns auch von sicher geglaubten Pfaden
herunterzuholen. Schauen wir uns die Geschichte der ersten Gemeinden an,
dann merken wir, dass die Öffnung für die Heidenmission dazu
geführt hat, dass das Evangelium in die Welt gehen konnte, unglaublich
für Juden der damaligen Zeit, aber geistgewirkt und von Gott gesegnet.
Zusammenbleiben trotz Farbspektrum
Ich gehe nochmal zurück
zum Sammelplatz im Wald. Da sollten wir uns Zeit nehmen und etwas verweilen.
-
Wir vergewissern uns, auf
derselben Grundlage des Glaubens zu stehen, Jesus für und mit uns.
Wir beten miteinander, wir feiern Abendmahl und lassen und uns das Brot
von unserem Herrn schenken. Wir haben Interesse aneinander, wollen wissen,
was den anderen bewegt.
-
Wir akzeptieren, dass wir
zu manchen Themen unterschiedliche Erkenntnisse und Meinungen haben. Wir
nehmen es an, dass Jesus die Gemeinde in ihren Spektralfarben leuchten
lassen will, obwohl Uniformität für uns leichter wäre. Wir
setzen uns dafür ein, dass jeder und jede bei uns Lebensrecht hat.
-
Wir bleiben miteinander im
Gespräch, wie wir das am Familientisch tun. Wir können streiten,
aber wir können uns auch versöhnen. Bei uns siegen die besseren
Argumente, nicht die lauteste Stimme oder der dickste Geldbeutel. Wir sind
kreativ und finden Kompromisse und Übergangslösungen. Manchmal
geht es nicht gleich von weiß nach schwarz und umgekehrt, da hilft
es, die Grautöne zu leben und Provisorien zu schaffen.
-
Wir dürfen unsere Meinung
ohne Gesichtsverlust ändern. Als ich nach und nach meine Gewohnheiten
umweltgerechter veränderte, bekam ich öfter zu hören: „Wir
haben das schon immer gemacht, aber als wir z.B. Wasser aus der Leitung
getrunken hatten, hast du uns damals ausgelacht.“ Ja, habe ich, ich kann
mich daran erinnern. Aber das soll mich nicht davon abhalten, es nun anders
zu machen. Und eigentlich sind die Kommentare auch überflüssig,
sie helfen mir nicht. Wie freue ich mich, wenn ich auch im Bezug auf meinen
Glauben neue Erkenntnisse geschenkt bekomme und nicht gleichzeitig zu hören
bekomme: „Siehste, das haben wir dir doch schon immer gesagt!“ Solche Kommentare
führen ja eher dazu, dass man in seiner Meinung beharrt, weil man
Gesichtsverlust fürchtet.
-
Wir lesen die Bibel für
heute. In der Jungschar behandeln wir gerade die Könige Israels. Scheinbar
sind das Geschichten aus 1000+1 Nacht. Doch sie haben eine Botschaft für
heute. Es geht um Ehrlichkeit, Vertrauen, Weisheit, Umgang mit Feinden
und Freunden. All das ist Thema unseres Alltags, und wir brauchen Gottes
Hilfe, um ihn zu bestehen.
Haben wir am Sammelplatz eine
Pause eingelegt, können wir wieder weitergehen, auch in unterschiedliche
Richtungen und Gemeinden. Solange wir immer wieder leicht zum Sammelplatz
zurückkehren können, dürfen wir unser Farbspektrum leben
und werden dadurch ganz verschiedene Menschen ansprechen.
Kirche 2020
Die Gemeinde Jesu ist
nur glaubwürdig im Miteinander und in der Einheit des Glaubens. Spaltende
Themen gab es in Korinth, und es gibt sie heute. Doch hilft es, das Gemeinsame
zu leben und zu kommunizieren, um Lösungen auch für das Trennende
zu finden:
Glaube an Jesus bedeutet
-
er ist mit uns auf dem Weg
und verändert uns auf dem Weg, dass wir offen werden für seine
Führungen,
-
er schenkt uns Heimat und
Geborgenheit, die wir in unserer Gemeinde erleben,
-
unser Glaube ist wie Sprudelwasser,
wir kommen in Bewegung, und je mehr die Flasche geschüttelt wird,
desto mehr fließt von Gottes Liebe über in die Welt,
-
unser Glaube hat Konsequenzen,
und über die sollten wir ins Gespräch kommen, streiten, uns öffnen
für die besseren Argumente und darauf vertrauen, dass Jesus uns nicht
in die Irre gehen lässt.
Gott ist treu. Er selbst hat
uns berufen zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn.
(1.Korinther
1,9)
Cornelia
Trick
|