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Nehemia ist zur Zeit mein täglicher Begleiter. Er erinnert mich, welche Herausforderung es ist, an Gottes Werk zu stehen. Er erinnert uns als Gemeinde, dass wir aufgerufen sind mitzumachen. Und wir werden aufmerksam darauf, dass für jeden und jede von uns Platz auf der Baustelle ist. Wir hatten uns in der letzten Einheit mit der Liste der Bauleute befasst. Die Frage trat sehr persönlich an uns heran: Bin ich dabei? Es haben sich manche Gespräche ergeben und so möchte ich noch einen kleinen Nachtrag anfügen. Ich wurde darauf angesprochen, dass das Bild vom Mauerbau bei uns geschichtlich belastet ist. Wer will schon wieder eine Mauer errichten, die vor 10 Jahren doch gerade gefallen ist. Solch eine Abschottung wollen wir als Gemeinde nicht und sie ist auch nicht unser Auftrag. Und doch hat die Jerusalemer Mauer zur Zeit Nehemias ja noch eine andere Bedeutung. Sie steht für unseren gesamten Gemeindebau, nicht nur die trennenden Mauern nach außen. Die Mauer steht dafür, dass wir als Gemeinde Haus Gottes sind, Tempel des Heiligen Geistes und sehr wohl mitbauen sollen an unseren Grundmauern. Im Neuen Testament werden wir Christen als die lebendigen Steine im Haus Gottes genannt und Christus ist der Eckstein, der an entscheidender Stelle das Bauwerk Gemeinde stützt. So sind die Mauern Jerusalems keine "Berliner Mauer", sondern ein sehr lebendiges Bauwerk, das einlädt mitzumachen - das aber auch vor Angriffen schützt und dazu kommen wir heute. Ein zweiter Punkt betrifft das Nebeneinander. Die Leute, die die Mauer bauten, standen nebeneinander an den Bauabschnitten. Hätten sie das nicht besser miteinander tun sollen? Ich habe bewusst dieses Nebeneinander der Bauleute aufgegriffen. Wir machen in der Gemeinde nicht alles miteinander. Bei unseren Aufgaben stehen wir sehr oft nebeneinander - der eine hält den Hauskreis, die andere bereitet den Nachmittagskreis vor. Wir haben verschiedene Gaben und unterschiedliche Aufgaben. Entscheidend ist, dass wir bei unserem Nebeneinander das gemeinsame Ziel vor Augen haben. Dass wir uns dem gleichen Herrn verpflichtet fühlen und zu seiner Ehre als Gemeinde beisammen sein wollen. Dann werden wir auch im Nebeneinander ein Miteinander erleben, ohne alles auch miteinander fühlen, bereden und tun zu müssen. Aber auch dazu später mehr. Der Mauerbau bei Nehemia schreitet also voran.
Und fast könnten wir an dieser Stelle schon das Happy End erwarten:
Die Mauer wurde eingeweiht und alle feierten ein Fest. Von dem Gebet Nehemias
am Anfang über den Auftrag, den er von Gott erhalten hat, zum Mauerbau
mit über 30 Gruppen und zum Erfolg. Aber die Bibel ist ein sehr realistisches
Buch. Sie spiegelt unsere Situation haargenau und blendet auch bei den
unerfreulichen Begebenheiten nicht ab. Deshalb ist sie ja so wichtig für
unseren Alltag, weil da eben auch nicht "Ende gut - alles gut" ist. Nehemia
macht uns vertraut mit Erfahrungen, die wir sicher auch aus unserem Leben
kennen. Gerade da, wo Gott wirkt, stellt sich diesem Wirken eine Gegenmacht
entgegen. Das Böse - ich will es hier so nennen - wird besonders dort
aktiv, wo Gott wirkt, wo sein Geist etwas in Bewegung setzt, wo ein Mensch
sich für Gottes Liebe öffnet. So bekommen wir heute Anschauungsunterricht
in den Spielarten des Bösen, das sich Gott in den Weg stellt.
Der erste Wind heißt List (Nehemia 3,33-35).
Sanballat und Tobija unterhalten sich über die wachsende Mauer. Sanballat
ist besorgt. Was soll das noch werden? Tobija beruhigt ihn: "Sie sollen
nur bauen, wenn ein Fuchs an die Mauer springt, dann stürzt die ganze
Herrlichkeit zusammen!" Was können wohl Füchse bewirken, die
auf eine neue Mauer losgelassen werden? Ich fand dafür eine sehr plausible
Erklärung. Die Füchse graben sich Löcher in den frischen
Mörtel. Dadurch werden die Fugen zwischen den Steinen ausgehöhlt
und die ganze Mauer bricht zusammen. Diese losgelassenen Füchse sind
eine tägliche Erfahrung. Solch ein Fuchs kann Zeitnot und Hektik sein.
Wenn der Angestellte um 20.00 Uhr immer noch in der Firma sitzt, wird er
am Abend nicht mehr viel für sein geistliches Leben tun können,
geschweige denn am Gemeindeleben teilnehmen. Ein Fuchs kann aber auch eine
tiefgreifende Sorge oder ein Problem sein. Die Sorge nimmt mich so gefangen,
dass ich den Zuspruch Jesu: Sorget nicht! gar nicht mehr höre. Die
Sorge hat sich eingenistet und die Steine des Gottvertrauens gelockert.
Ein Fuchs kann auch der Abstand zu Geschwistern in der Gemeinde sein. Man
lebt sich auseinander, kennt sich kaum noch. Die Liebe - wenn sie da gewesen
ist - stirbt und Neue finden keine Hand, die sie einlädt und hält.
Wir erfahren, wie die Fuchsmethode uns hindert, eine tragfähige Beziehung
zu Jesus Christus dauerhaft und ungestört zu leben. Die Fuchsmethode
hindert uns nach Gottes Willen zu leben und mit ihm zu wachsen. Die Fuchsmethode
hindert uns, uns nach Kräften in der Gemeinde und in der Welt als
Nachfolger und Nachfolgerinnen Jesu einzubringen
Ich sitze oder stehe, ich liege oder gehe, du hälst stets deine Hand über mir. Du siehst all meine Wege, du kennst all meine Rede, denn ich kann nichts verbergen vor dir. Von allen Seiten umgibst du mich, o Herr. Du bist nicht zu begreifen. Dir sei Lob, Preis und Ehr. Der zweite Gegenwind ist wie ein Organ, er heißt
nicht "Lothar", sondern: Brutale Gewalt. Ich zitiere diesen Abschnitt Nehemia
4,1-8:
Die Gegner lassen sich nicht einschüchtern
oder abhalten. Sie greifen nun zu brutaler Gewalt, zu einem bewaffneten
Übergriff. Einen idealeren Zeitpunkt hätten sie sich gar nicht
aussuchen können. Die Bauleute sind nach tagelanger Arbeit müde
geworden. Das Lied, das sie miteinander singen, ist Ausdruck ihrer Erschöpfung:
"Der Schutt nimmt ja doch nie ein Ende, wir haben schon ganz lahme
Hände! Wir sind viel zu müde und matt, zu bauen die Mauer der
Stadt." Müdigkeit ist das beste Einfallstor für einen Übergriff.
Und das Böse ist wie ein Heer, das brutal angreift. Nachvollziehbar
ist das. Der Schüler arbeitet bis spät in den Abend an einem
Referat, das er am nächsten Morgen abgeben muss. Kaum in der Schule
angekommen, reißt es ihm ein Mitschüler weg und lacht sich halb
tot über den "Streber". Der Schüler ist viel zu kaputt um sich
zu wehren. Am liebsten würde er das Referat selbst in den Mülleimer
werfen. Ein Projekt wurde mit viel persönlichem Einsatz im Geschäft
abgeschlossen. Doch statt eines saftigen Lobes für die Mitarbeiter
zeigt der Chef erbarmungslos auf einen klitzekleinen Fehler, der noch nicht
bereinigt wurde. Am liebsten würden die Mitarbeiter nach Hause gehen
und erstmal eine Woche schlafen, alle gelungene Arbeit scheint sich ins
Nichts aufzulösen. Die Mutter saß die halbe Nacht am Bett ihres
kranken Kindes, da kommt morgens um 8 Uhr ein Anruf mit einer Beschwerde,
sie habe gestern vergessen, jemand anzurufen. Die Mutter rastet aus - sie
ist zu erschöpft, um die Anruferin in ihre Schranken zu weisen. Übergriffe
des Bösen, die uns aus dem Gleichgewicht bringen wollen, geschehen
besonders leicht in Zeiten von innerer Anspannung, Erschöpfung und
Müdigkeit. Und ein kleiner Anlass kann dann fatale Folgen haben, ja
zum Zusammenbruch führen.
Bin ich in Schwierigkeiten, so willst du mich begleiten, dein Auge, das ruht immer auf mir. Ich kann dir nicht entrinnen, denn was ich auch beginne, in allen Lagen bist du bei mir. Von allen Seiten umgibst du mich, o Herr. Du bist nicht zu begreifen. Dir sei Lob, Preis und Ehr. Nun stoßen wir auf den dritten Gegenwind (Nehemia 6,1-14) Er ist wie ein sanftes Lüftchen und wechselt dauernd seine Richtung. Dieser Wind trägt den Namen "Verleumdung". Unterhändler kommen zu Nehemia. Sie wollen ein Gespräch vereinbaren, einen Kompromiss herbeiführen. Doch Nehemia lehnt ab, er möchte keinen Kompromiss mit dem Bösen eingehen. Darauf greifen die Gegner zu einer Verleumdungskampagne, sie streuen das Gerücht, dass Nehemia König werden will, um sich gegen den persischen König aufzulehnen. Kennen wir diese Spielart des Bösen nicht zu gut? Da sagt jemand: Du machst das ja nur, um dich zu profilieren. Du willst Macht haben. Ihr in der Gemeinde wollt ja nur Leute fangen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit solchen Gerüchten geht, aber mich machen sie immer ganz schön fertig. Manchmal bin ich dann soweit und würde am liebsten alles hinschmeißen. Nehemia ging es wohl auch so. Denn trotzig erwiderte er: "Jetzt erst recht. Ich fliehe nicht! Sollte ein Mann wie ich, der Gottes Allmacht so vielfältig erfahren hat, fliehen?" Möglich wurde das durch seine enge Verbindung zum Herrn. Das Gerede konnte ihn nicht von seinem Auftrag weg bringen. Diese Verbindung wünsche ich mir auch. Sie macht offensichtlich stark, hinzustehen und aufrecht nach Gottes Willen zu leben. Doch ich brauche dafür auch die Gemeinschaft, die mich hält und mich im Gebet unterstützt. Das hat Nehemia in Jerusalem wohl auch erfahren. Denn die Leute bauten weiter und der Bau konnte so vollendet werden. Ein vierter Wind eröffnet noch einmal eine andere Perspektive (Nehemia 5,1-11). Bis jetzt hatten immer Leute von außen den Bau angegriffen. Und natürlich ist es da auch leichter, sich als Gemeinde dagegen zu verbünden. Es wird aber auch ein interner Gegenwind offensichtlich, er heißt "interner Krach". Die Reichen lebten auf Kosten der Armen und die Armen fingen an zu schreien, weil die Reichen ihnen alles nahmen. Nehemia ließ sich auch hier von Gott leiten. Er beschwichtigte nicht, sondern packte das Problem an der Wurzel an. Ein Schuldenerlass wurde durchgeführt und die Reichen mussten ihren Zugewinn abgeben. Sehr lehrreich ist das für uns. Der Feind muss nicht von außen kommen, um uns durcheinander zu bringen. Unser Nebeneinander beim Gemeindebau wird schon empfindlich gestört, wenn das gemeinsame Ziel aus dem Blick gerät und einer sich auf Kosten der anderen ausruht. Da tun sich tiefe Gräben auf zwischen Mitarbeitern und Konsumenten, zwischen Leuten, die die Not anpacken und solchen, die daran vorüber gehen, zwischen Schuldigern, die sich nicht vergeben können. Ein Schuldenerlass bedeutet sehr praktisch einen neuen Start miteinander. Wenn wir das im Abendmahl miteinander feiern, dann ist das auch wie ein neuer Start. Jesus ist für uns gestorben, damit wir leben können und das hat Auswirkungen auf unser Miteinander. Wir wachen auf und werden sensibel für die Not des anderen, seine Last. Schuldenerlass bedeutet gelebte Vergebung und die Hoffnung, von Gott verändert zu werden. So sind wir auch hier dem Bösen, das zwischen uns Raum gewinnen will, nicht schutzlos ausgeliefert. Ein Schuldenerlass ist möglich, weil Jesus uns zuerst vergeben hat. Jesus Christus ist beim Bau der Gemeinde in dieser Welt dabei. Er ermutigt uns, mit unseren Gaben mitzubauen. Er lädt ein, ihm zu vertrauen. Gegenwind wird uns da immer wieder ins Gesicht schlagen. List, brutale Gewalt, Verleumdung und interner Krach sind Stichworte, wie der Gegenwind sich äußern kann. Was uns dabei zugesagt ist: Der Herr selbst bewacht sein Bauvorhaben. Die Feinde werden nicht siegen. Kraft gibt uns Gottes Wort und das Gebet an jedem neuen Tag. Helfen kann uns, die Bibel zu lesen, sie mit dem Herzen zu lernen und zu verinnerlichen. Helfen kann uns ein Ort des Gebets, wo wir uns gestützt und bewacht wissen, während der Gegenwind uns zu schaffen macht. Du kennst mein ganzes Leben, das du, Herr, mir gegeben, und weißt, dass ich dich sehr oft betrübt. Hilf dass ich deinen Willen zu jeder Zeit erfülle, dir folge, weil du mich so geliebt. Von allen Seiten umgibst du mich, o Herr. Du bist nicht zu begreifen. Dir sei Lob, Preis und Ehr. Cornelia
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