Geduld im Advent (Lukas 13,6-9)
Gottesdienst am 6.12.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
in meiner Schulzeit lernte ich mit einem Klassenkameraden aus einem katholischem Elternhaus. Wir trafen uns öfter, und so war ich auch in der Adventszeit bei ihm zu Besuch. Es duftete im ganzen Haus nach Plätzchen, mir lief schon das Wasser im Mund zusammen. Doch statt der erwarteten Versuchs-Plätzchen aus der Küche erklärte mir mein Schulkamerad, dass es bei ihnen keine Plätzchen in der Adventszeit geben würde, erst zu Weihnachten. Es wäre doch Buß- und Fastenzeit. Ja, damit hatte er recht.

Adventszeit im ursprünglichen Sinne ist wie die Passionszeit Vorbereitung auf Jesus. Wir werden aufgefordert, in unserem Leben aufzuräumen. Unsere Fehler und Fehlentscheidungen der zurückliegenden Zeit sollen wir uns bewusst machen und sie von Jesus vergeben lassen. Wir werden ermuntert, zu vergeben und uns vergeben zu lassen. Zum Weihnachtsfest werden wir dann mit aufgeräumtem Herzen bereit sein, Jesus aufzunehmen wie die Leute damals, die durch Johannes den Täufer auf Jesus vorbereitet wurden.

Ein Gleichnis Jesu beschreibt diese Advents-Umkehr-Zeit sehr anschaulich. 

Lukas 13,6-9
Jesus erzählte den Leuten dieses Gleichnis: »Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt. Er kam und schaute nach, ob Früchte daran waren – aber er fand keine. Da sagte er zu seinem Weingärtner: Sieh doch: Seit drei Jahren komme ich schon und schaue nach, ob an diesem Feigenbaum Früchte sind – aber ich finde keine. Jetzt hau ihn um! Wozu soll er den Boden noch weiter auslaugen? Aber der Weingärtner antwortete ihm: Herr, lass ihn noch dieses Jahr stehen. Ich will die Erde um ihn herum noch einmal umgraben und düngen. Vielleicht trägt der Baum im nächsten Jahr doch noch Früchte. Wenn nicht, lass ihn dann umhauen.«

In dieser Beispielgeschichte treten drei Akteure auf. 
Da ist der Weinbergbesitzer. Wie es damals üblich war, hatte er in seinen Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt. Der Baum verhinderte mit seinen Wurzeln Erosion und galt als pflegeleicht und sehr ertragreich. So wird der Weinbergbesitzer von diesem Baum zu Recht erwarten, dass er ihm wenig Arbeit und maximale Ernte einbringt.

Der Feigenbaum entwickelt sich nicht so, wie es normalerweise der Fall ist. Er bringt nicht einmal ein paar verhutzelte Feigen hervor und das schon seit drei Jahren. Warum? Die Geschichte legt nahe, dass es nicht an den ungünstigen Umweltbedingungen liegt, sondern wohl ganz allein mit ihm zu tun hat.

Der Winzer ist ein Angestellter des Weinbergbesitzers. Er ist kein Duckmäuser, sondern gibt seinem Chef Widerworte. Wir können ihm abspüren, wie ihm der Baum am Herzen liegt. Unbedingt will er ihn erhalten. Er sieht in ihm offenbar mehr Potential als sein Chef. So will er selbst Hand anlegen, um den Baum zu retten. Er gibt ihm zu essen und zu trinken und bittet schließlich um eine Frist von einem Jahr. Er hofft, dass seine Bemühungen fruchten werden, ja, er scheint sicher zu sein, dass er Erfolg haben wird. Nur so ist verständlich, dass er dem Chef signalisiert, dass der fällen kann, sollte seine Mission scheitern.

Der Schluss bleibt offen. Was wird in einem Jahr sein? Wird der Baum die Hilfe des Winzers annehmen?
Der offene Schluss ist wie ein Sprungbrett in unsere Welt. Wer ist wer? 

Der Baum
Der Baum, der könnte ich sein. Ein Mensch, von dem Gott erwartet, dass ich meine Fähigkeiten und Gaben in seinem Sinne einbringe. An welche „Früchte“ könnte hier gedacht sein? Ich bin an einem zentralen Satz im Buch Micha 6,8 hängengeblieben: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“

  • Gottes Wort zu halten ist Frucht am Baum des Lebens. Ich verstehe diese Aussage mal ganz wörtlich und nehme meine Bibel in die Hand. Da steht so viel drin, auch Gegensätzliches. Wie soll ich das alles halten? Mir hilft, die Gemeinsamkeit aller Geschichten und Aussagen über Gott herauszuhören. Immer geht des darum, dass Gott mich liebt, dass er mich herausruft, dass er mir hilft, meine Gaben zu entfalten. Dass er für mich einen Platz in dieser Welt sieht und mir helfen will, ihn auszufüllen. Gottes Wort zu halten, bedeutet für mich, dass ich mich mit Gott verbunden weiß, weil er mich ins Leben gerufen hat und mit mir sein will. Alle Aufforderungen der Bibel, die sich auf mein Denken und Handeln beziehen, stehen unter diesem Vorzeichen. Es sind Hilfen, um bei Gott zu bleiben und mit ihm im Einklang zu leben.
  • Liebe zu üben erinnert mich an das Gebot Jesu, meine Nächsten zu lieben wie mich selbst. Vor ein paar Tagen erzählte mir jemand, wie schwer der zweite Teil des Satzes für ihn zu realisieren ist. Er meinte, er selbst lege oft viel strengere Maßstäbe an sich an als für andere. Aber er merkt, wie ihn das in die Irre führt. Jesus will keine perfekten Nachfolger, sondern sichert uns in allem Scheitern zu, dass er uns liebt auch ohne Medaillen, Urkunden und Pluspunkte. Dass er uns sogar wegen der Minuspunkte und Flecken liebt, weil sie zeigen, dass wir ihn brauchen. Doch auch der erste Teil es Satzes hat es in sich. Meine Nächsten kann ich mir nicht immer aussuchen. Da sind widerspenstige Persönlichkeiten dabei, und ich werde in ihrer Gesellschaft auch leicht stachelig. Eine Aufgabe ist das, zu der ich Jesus dringend brauche. Er schenkt mir seinen Blick und Großzügigkeit, die picksenden Stacheln der anderen nicht zu persönlich zu nehmen, ja, sie als Ansporn zu sehen, mit Liebe eine Veränderung zu bewirken.
  • Demütig in Bezug auf Gott zu sein, bewahrt vor Höhenflügen und Allmachtsphantasien. Ich muss die Probleme dieser Welt nicht allein lösen, und ich kann sie nicht lösen. Ich bin dauerhaft auf Gott angewiesen wie eine Diabetikerin auf Insulin. Gott geht immer voran, nie hinter meinen Planungen und Entscheidungen hinterher. Das bewahrt mich vor manchen selbstgewählten Sackgassen.
Ein Baum ohne Frucht entspricht also einem Menschen, der nicht in Beziehung zu Gott leben will, der die Kraft nicht aus ihm schöpft und deshalb schnell an Grenzen kommt beim Weitergeben.

Der Winzer
Der Winzer steht wohl für Jesus. Er kümmert sich um jeden und jede. Es ist ihm nicht egal, ob wir in Beziehung zu Gott leben oder nicht. Er weiß um unser Potential und müht sich, dass wir es entwickeln. Er gibt uns immer wieder neue Chancen und investiert in uns.

Die Adventszeit ist eine seiner Umgrab-Gelegenheiten und Düngezeiten. Er legt uns ans Herz, Gottes Wort zu halten, Liebe zu üben und demütig zu sein vor unserem Gott.

  • Mit Gottes Wort sollten wir uns in diesen vier Wochen verstärkt beschäftigen. Nicht nur der katholische Schulfreund von damals hatte eine Ahnung, dass es im Advent nicht primär um Plätzchenessen geht, auch für uns ist das eine wichtige Grundlage dieser Zeit. Was passt besser, als sich mit Jesus-Geschichten der Evangelien zu beschäftigen, die Grundaussagen immer wieder zu entdecken: Jesus ist für dich. Er begegnet auch dir. Er hat ein Herz für dich, auch wenn nicht alles in Ordnung bei dir ist. Und er fordert dich auf, deine ungelösten Themen anzugehen, mit seiner Hilfe natürlich.
  • Mit einem von Liebe vollgetankten Herzen sollten wir nicht am Adventskaffeetisch sitzen bleiben. Stattdessen werden wir ermutigt, uns auf die Reise zu begeben zu den Menschen. Da ist jemand, dem wir etwas Gutes tun können, ein Adventsgeschenk, ein Licht, ein gutes Wort an der Haustür. Da ist jemand, mit dem wir ins Reine kommen können, alte Differenzen überwinden, Verletzungen heilen lassen. Da ist jemand, die auf mich wartet, mit der ich Zeit verbringen kann. Da ist jemand, die mich herausfordert, klar Position zu beziehen.
  • Von Gott lasse ich mich in diesen Wochen verstärkt infrage stellen. Bin ich auf dem richtigen Weg, oder braucht es eine Kurskorrektur? Überschätze ich mich selbst? Bin ich bereit, meine Schwächen einzugestehen und Gottes Hilfe anzunehmen?
Der Weinbergbesitzer
Offen bleibt, wer in diesem Gleichnis der Weinbergbesitzer ist. Ich persönlich erlebe Gott nicht als einen, der einen Baum umhaut, wenn er nicht so wird, wie Gott es gedacht hat. Denn dann hätte Gott die ganze Welt schon längst abholzen müssen. 

Aber Jesus gibt uns mit diesem Bild vom Weinbergbesitzer einen Anreiz. Es macht keinen Sinn, unsere Aufräumarbeiten auf morgen zu verschieben. Je eher, desto besser. Denn wer weiß, wie lange unsere Lebensuhr noch schlägt. Und welcher Mensch will als Feigenbaum in die Geschichte eingehen mit der Überschrift: Er war groß und stark, doch niemand hatte etwas davon, dass er auf dieser Welt lebte – er war eine Enttäuschung. 

Wir müssen uns von dem Anspruch nicht überfordert fühlen. Jesus tut alles, dass wir Früchte bringen. Er gibt uns seine volle Aufmerksamkeit und Liebe, die reicht für uns und andere. Wir können sie an jedem Adventstag aufnehmen und gespannt sein, wie sie uns verändert. 

Jesus spricht: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Johannes 15,5)

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_geduld_im_advent.htm