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Liebe Gemeinde,
Die Szene, die die Zeitungsnotiz beschrieb, nahm in meinem Kopf Gestalt an. Da ist der nette Fahrer, der gerade noch an der Tür mit der Kundin gescherzt hatte. Da ist das Kind, vielleicht mit Ball oder Rädchen, scheinbar unterwegs im geschützten Raum. Vielleicht beobachten die Eltern das Drama am Küchenfenster. Der Fahrer hat Termindruck. Er schaut kurz in den Rückspiegel, alles frei, und setzt zurück. Er kann das Kind hinter der Stoßstange im Rückspiegel nicht sehen, und das Lieferauto ist nicht komfortabel mit Rückwärts-Sensoren und Kamera ausgestattet. Der Fahrer fährt ein Kind tot. Das Leben der Familie gerät aus den Fugen, lebenslanger Schmerz wird sie begleiten. Das Leben des Fahrers gerät aus den Fugen. Lebenslang werden ihn Selbstvorwürfe und Schuld begleiten. Auch wenn gerichtlich alles aufgearbeitet wird, bleibt bei allen eine Last zurück, die ihnen niemand nehmen kann. Niemand? Das ist das entscheidende Thema des Karfreitags. 15 Kapitel sind wir in den letzten Wochen dem Markusevangelium gefolgt. Wir haben Jesus aus der Sicht des Markus kennengelernt. Wir hörten Jesu Ruf: „Kehrt um von euren falschen Vorstellungen von Gott. Vertraut der guten Nachricht, dass Gott zu euch Menschen kommt. Er liebt euch, er will euch retten. Lasst euch retten!“ Wir haben Jesus erlebt,
wie er sich in göttlicher Liebe Menschen in Leid und Not zuwandte.
Wie er diese neue Welt Gottes beschrieb. Wie er aneckte und vor den Kopf
stieß, weil er so anders war als erwartet.
Markus berichtet vom Sterben Jesu aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln. Da ist einer, der Jesus zufällig begegnet. Da sind verschiedene, die wie Zuschauer auf den Rängen über Jesus spotten. Da ist einer, der versteht. Markus 15,20-24
Simon von Kyrene
Was bedeutete für ihn das Kreuztragen? Er wurde mit dem Schicksal Jesu verbunden. Er spürte dieses Kreuz, an dem Jesus auch für ihn hängen würde. Da er mit Namen und seine Söhne, die doch gar nicht dabei waren, ausdrücklich erwähnt sind, können wir davon ausgehen, dass Simon von Kyrene zu Jesus gefunden hatte, mit seiner Familie zur ersten Gemeinde gehörte. Das Kreuz auf seinen Schultern brachte ihn zu Jesus. Er wurde Leidensgenosse und wusste sich so mit Jesus verbunden. Die Märtyrer der frühen Kirche und sicher auch die heute um ihres Glaubens willen Verfolgten finden sich in Simon von Kyrene wieder. Auch sie leiden für Jesus, tragen mit ihm sein Kreuz und erleben gerade darin eine große Nähe zu Jesus. Wir sind keine Märtyrer und werden auch nicht verfolgt. Aber auch wir leiden unter dem Schmerz dieser Welt, unter Lieblosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Zerbruch. Wir leiden mit Jesus unter der Institution Kirche, die eigentlich Gottes Liebe und Herrlichkeit widerspiegeln sollte, aber sich in unserer Zeit in vielfältiger Weise unglaubwürdig macht. Wir folgen Jesus und spüren sein Kreuz auch auf unserem Rücken. Wir schauen voraus und wissen, dass Jesus für das alles ans Kreuz gegangen ist, damit er uns und unsere Welt rettet. Markus 15,27-34
Vorbeigehende, Einflussreiche und Verbrecher verspotteten und provozierten Jesus. Die Kreuzigung bestärkte ihr Urteil. Jesus scheiterte, er konnte nicht von Gott kommen. Ich möchte noch eine vierte Gruppe dazustellen und nenne sie „moderne Menschen von heute“. Sie spotten nicht, sie finden den Tod Jesu durchaus unangemessen. Er war doch ein guter Mensch, so einen sollte man nicht umbringen. Aber eigentlich ist es ihnen egal, wie er gestorben ist, ein Held mehr, der seine Ideale mit dem Tod bezahlen musste. Sie fragen uns Christen sehr ernsthaft: „Was soll Jesu Tod denn bringen?“ Wir haben darauf eine Antwort zu geben, die unsere Mitmenschen heute verstehen. Sie sind nicht vorgebildet in Zusammenhängen, die das Alte Testament beschreibt, und können meistens mit Erklärungen aus dem Buch Jesaja wenig anfangen. Eine Antwort könnte so aussehen:
Jesus stirbt am Kreuz für mich, um immer bei mir zu sein und selbst in der ausweglosesten Lage überhaupt, im Sterben, meine Hand zu halten. Markus 15,37-39
Wie kam der römische Soldat zu diesem Christus-Bekenntnis? Er hatte die Kreuzigung erlebt. Vielleicht war er einer der Hauptverantwortlichen für das Todeskommando auf Golgatha. Schon viele Sterbende wird er gesehen haben. Die Römer waren nicht zimperlich, Menschen an Kreuze zu hängen. Dieser Sterbende war anders. Das Betäubungsmittel hatte er abgelehnt, um den Tod bewusst zu erleben. Mitten im Todeskampf betete er: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Obwohl er sich völlig allein fühlte, auch von Gott verlassen, rief er dennoch Gott an, hielt an ihm fest, als ob er eine Antwort erwartete. Der Hauptmann sah auch die drei-stündige Sonnenfinsternis. Als hätten sie mit der Kreuzigung Jesu den Lichtschalter umgelegt, Jesu Sterben hatte kosmische Bedeutung. Ohne ihn war es schlagartig dunkel. Was der Hauptmann nicht mitbekommen hatte, was wir aber wissen: Währenddessen riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Dieser Vorhang trennte das Allerheiligste, Gottes Gegenwart, vom Rest des Tempels. Mit Jesu Tod war der Weg zu Gott frei, kein Vorhang hing mehr dazwischen, Gott hatte sich offenbart als der, der mit seinem Sohn die Brücke zu den Menschen geschlagen hatte, um sie zu retten. Der Hauptmann spricht das erste Christus-Bekenntnis nach Jesu Tod und bestätigt die Aussagen Gottes über Jesus bei dessen Taufe und auf dem Berg der Verklärung. Stellen wir uns zu diesem
Hauptmann? Sprechen wir sein Bekenntnis mit:
Cornelia
Trick
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