Für uns (Markus 15,20-24+27-31+32-34+37-39)
Karfreitagsgottesdienst für den 2.4.2021 in Brombach, wegen des Lockdowns ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
vor wenigen Wochen las ich eine kurze Notiz in der Zeitung. Ein Lieferwagen setzte in einem Innenhof zurück und überfuhr dabei ein kleines Kind, das noch am Unfallort starb. Fast täglich begegnen mir Lieferautos. Einen Paketboten kenne ich persönlich, wir sagen uns ein gutes Wort, wenn wir uns treffen. Er ist immer im Stress, die Zeit reicht nie, um alle Päckchen pünktlich auszuliefern. Überstunden sind nötig, bis der Wagen abends leer ist.

Die Szene, die die Zeitungsnotiz beschrieb, nahm in meinem Kopf Gestalt an. Da ist der nette Fahrer, der gerade noch an der Tür mit der Kundin gescherzt hatte. Da ist das Kind, vielleicht mit Ball oder Rädchen, scheinbar unterwegs im geschützten Raum. Vielleicht beobachten die Eltern das Drama am Küchenfenster. Der Fahrer hat Termindruck. Er schaut kurz in den Rückspiegel, alles frei, und setzt zurück. Er kann das Kind hinter der Stoßstange im Rückspiegel nicht sehen, und das Lieferauto ist nicht komfortabel mit Rückwärts-Sensoren und Kamera ausgestattet. 

Der Fahrer fährt ein Kind tot. Das Leben der Familie gerät aus den Fugen, lebenslanger Schmerz wird sie begleiten. Das Leben des Fahrers gerät aus den Fugen. Lebenslang werden ihn Selbstvorwürfe und Schuld begleiten. Auch wenn gerichtlich alles aufgearbeitet wird, bleibt bei allen eine Last zurück, die ihnen niemand nehmen kann.

Niemand? Das ist das entscheidende Thema des Karfreitags. 

15 Kapitel sind wir in den letzten Wochen dem Markusevangelium gefolgt. Wir haben Jesus aus der Sicht des Markus kennengelernt. Wir hörten Jesu Ruf: „Kehrt um von euren falschen Vorstellungen von Gott. Vertraut der guten Nachricht, dass Gott zu euch Menschen kommt. Er liebt euch, er will euch retten. Lasst euch retten!“

Wir haben Jesus erlebt, wie er sich in göttlicher Liebe Menschen in Leid und Not zuwandte. Wie er diese neue Welt Gottes beschrieb. Wie er aneckte und vor den Kopf stieß, weil er so anders war als erwartet.
Wir sind vorbereitet worden auf den Tod Jesu. Beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern gab er ihnen zu verstehen: Das Brot, mein Leib für dich gegeben. Der Kelch, mein Blut für dich vergossen.

Markus berichtet vom Sterben Jesu aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln. Da ist einer, der Jesus zufällig begegnet. Da sind verschiedene, die wie Zuschauer auf den Rängen über Jesus spotten. Da ist einer, der versteht.

Markus 15,20-24
Sie führten Jesus aus der Stadt, um ihn zu kreuzigen. Da kam ein Mann vorbei. Es war Simon von Kyrene, der Vater von Alexander und Rufus. Er kam gerade vom Feld zurück. Den zwangen sie, für Jesus das Kreuz zu tragen. Und sie brachten ihn zu der Stelle, die Golgota heißt, das bedeutet übersetzt »Schädelplatz«. Sie wollten ihm Wein zu trinken geben, der mit Myrrhe versetzt war. Aber er nahm ihn nicht. Dann kreuzigten sie ihn.

Simon von Kyrene
Simon hatte vielleicht Mittagspause und war auf dem Weg nach Hause zum Mittagstisch. Eine Alltagssituation für ihn. Da geriet er mitten hinein in eine Menschenmenge und Jesus mittendrin mit einem schweren Holzbalken auf dem Rücken. Die begleitenden Soldaten erkannten vielleicht, dass Simon ein kräftiger Mann war, durch die Feldarbeit trainiert, und dass er emotional nicht verwickelt war in die Geschichte mit Jesus. So zwangen sie den zufälligen Passanten, Jesus die Last abzunehmen.

Was bedeutete für ihn das Kreuztragen? Er wurde mit dem Schicksal Jesu verbunden. Er spürte dieses Kreuz, an dem Jesus auch für ihn hängen würde. Da er mit Namen und seine Söhne, die doch gar nicht dabei waren, ausdrücklich erwähnt sind, können wir davon ausgehen, dass Simon von Kyrene zu Jesus gefunden hatte, mit seiner Familie zur ersten Gemeinde gehörte. Das Kreuz auf seinen Schultern brachte ihn zu Jesus. Er wurde Leidensgenosse und wusste sich so mit Jesus verbunden. 

Die Märtyrer der frühen Kirche und sicher auch die heute um ihres Glaubens willen Verfolgten finden sich in Simon von Kyrene wieder. Auch sie leiden für Jesus, tragen mit ihm sein Kreuz und erleben gerade darin eine große Nähe zu Jesus. Wir sind keine Märtyrer und werden auch nicht verfolgt. Aber auch wir leiden unter dem Schmerz dieser Welt, unter Lieblosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Zerbruch. Wir leiden mit Jesus unter der Institution Kirche, die eigentlich Gottes Liebe und Herrlichkeit widerspiegeln sollte, aber sich in unserer Zeit in vielfältiger Weise unglaubwürdig macht. Wir folgen Jesus und spüren sein Kreuz auch auf unserem Rücken. Wir schauen voraus und wissen, dass Jesus für das alles ans Kreuz gegangen ist, damit er uns und unsere Welt rettet.

Markus 15,27-34
Mit Jesus kreuzigten sie zwei Verbrecher. Den einen rechts, den anderen links von ihm. Die Leute, die vorbeikamen, lästerten über ihn. Sie schüttelten ihre Köpfe und sagten: »Ha! Du wolltest doch den Tempel abreißen und in nur drei Tagen wieder aufbauen. Rette dich selbst! Steig vom Kreuz herunter.« Genauso machten sich die führenden Priester zusammen mit den Schriftgelehrten über ihn lustig. Auch die beiden Verbrecher, die mit ihm gekreuzigt waren, verspotteten ihn. Es war die sechste Stunde, da breitete sich im ganzen Land Finsternis aus. Das dauerte bis zur neunten Stunde.  In der neunten Stunde schrie Jesus laut: »Eloï, Eloï, lema sabachtani?«Das heißt übersetzt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« 

Vorbeigehende, Einflussreiche und Verbrecher verspotteten und provozierten Jesus. Die Kreuzigung bestärkte ihr Urteil. Jesus scheiterte, er konnte nicht von Gott kommen. Ich möchte noch eine vierte Gruppe dazustellen und nenne sie „moderne Menschen von heute“. Sie spotten nicht, sie finden den Tod Jesu durchaus unangemessen. Er war doch ein guter Mensch, so einen sollte man nicht umbringen. Aber eigentlich ist es ihnen egal, wie er gestorben ist, ein Held mehr, der seine Ideale mit dem Tod bezahlen musste. Sie fragen uns Christen sehr ernsthaft: „Was soll Jesu Tod denn bringen?“

Wir haben darauf eine Antwort zu geben, die unsere Mitmenschen heute verstehen. Sie sind nicht vorgebildet in Zusammenhängen, die das Alte Testament beschreibt, und können meistens mit Erklärungen aus dem Buch Jesaja wenig anfangen. Eine Antwort könnte so aussehen:

  • Jesus ist Gottes menschliches Angesicht. In Jesus zeigt sich uns Gott und wirbt um unser Vertrauen.
  • Jesus geht mit uns in die tiefste menschliche Dunkelheit von Schuld und Leid, Einsamkeit und Tod.
  • Jesus vermittelt uns: Du bist nicht allein in deinem Elend und in deiner Aussichtslosigkeit. Gott ist da!
Nehmen wir den uns unbekannten Lieferwagenfahrer. Kein Mensch und kein Gericht kann ihm seine Schulderfahrung abnehmen. Aber Gott kann, weil er mit Jesus in diese Dunkelheit sein göttliches Licht bringt. 

Jesus stirbt am Kreuz für mich, um immer bei mir zu sein und selbst in der ausweglosesten Lage überhaupt, im Sterben, meine Hand zu halten.

Markus 15,37-39
Aber Jesus schrie laut auf und starb. Da zerriss der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Teile. Ein römischer Hauptmann stand gegenüber vom Kreuz. Er sah genau, wie Jesus starb. Da sagte er: »Dieser Mensch war wirklich der Sohn Gottes.«

Wie kam der römische Soldat zu diesem Christus-Bekenntnis? Er hatte die Kreuzigung erlebt. Vielleicht war er einer der Hauptverantwortlichen für das Todeskommando auf Golgatha. Schon viele Sterbende wird er gesehen haben. Die Römer waren nicht zimperlich, Menschen an Kreuze zu hängen. 

Dieser Sterbende war anders. Das Betäubungsmittel hatte er abgelehnt, um den Tod bewusst zu erleben. Mitten im Todeskampf betete er: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Obwohl er sich völlig allein fühlte, auch von Gott verlassen, rief er dennoch Gott an, hielt an ihm fest, als ob er eine Antwort erwartete.

Der Hauptmann sah auch die drei-stündige Sonnenfinsternis. Als hätten sie mit der Kreuzigung Jesu den Lichtschalter umgelegt, Jesu Sterben hatte kosmische Bedeutung. Ohne ihn war es schlagartig dunkel. 

Was der Hauptmann nicht mitbekommen hatte, was wir aber wissen: Währenddessen riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Dieser Vorhang trennte das Allerheiligste, Gottes Gegenwart, vom Rest des Tempels. Mit Jesu Tod war der Weg zu Gott frei, kein Vorhang hing mehr dazwischen, Gott hatte sich offenbart als der, der mit seinem Sohn die Brücke zu den Menschen geschlagen hatte, um sie zu retten.

Der Hauptmann spricht das erste Christus-Bekenntnis nach Jesu Tod und bestätigt die Aussagen Gottes über Jesus bei dessen Taufe und auf dem Berg der Verklärung.

Stellen wir uns zu diesem Hauptmann? Sprechen wir sein Bekenntnis mit: 
„Ich lasse Jesus in mein Leben und lade ihn ein, selbst in den tiefsten Stunden bei mir zu bleiben. Ich vertraue ihm, er wird mich da nicht alleinlassen, sondern mich retten.“ 

Cornelia Trick


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Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
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