Gottesdienst am 14.6.2020
in Brombach
Liebe Gemeinde,
letzte Woche hörte
ich ein Interview mit einer Politik-Journalistin. Sie wurde gefragt, wie
sie die Corona-Krise wahrnehme. Sie erzählte daraufhin sehr persönlich
von ihrem Hamsterrad, in dem sie sich vor Corona befand. Termine waren
zu absolvieren, zu Treffen war sie eingeladen, sie reiste unermüdlich
von A nach B, dazwischen spielte sich ihr Privatleben ab, Geburtstage,
Urlaubsreisen, Freunde treffen und immer am Ball bleiben. Sie meinte, ihr
Leben wäre überhitzt gewesen wie bei einem Dauerlauf. Corona
hätte wie ein Stopp-Schild gewirkt. Das Hetzen war plötzlich
unterbrochen. Sie konnte sich neu besinnen: „Was ist wirklich wichtig in
meinem Leben? Welche Menschen brauche ich und welche brauchen mich? Wie
will ich zukünftig arbeiten und leben?“
Dieses Interview hat mich
fasziniert. Ich habe mich selbst wiedererkannt beim Laufen im Hamsterrad
und wie die Wochen des Lockdowns manches zurechtgerückt haben. Ich
wurde erinnert an ein Jesus-Wort.
Vorausgegangen war ein
Misserfolg Jesu. Er hatte in Städten gepredigt, war dort aber von
den Führenden der damaligen Zeit abgelehnt worden. Sie fanden viele
Gründe, um auf Abstand von ihm zu gehen. Jesus hätte Grund gehabt,
an seiner Mission zu zweifeln. Doch stattdessen, stieg er auf eine Anhöhe
- so stelle ich es mir vor - schaute herunter auf die Städte in der
Ebene und betete zu Gott. Er lobte Gott. Er dankte ihm, dass einfach gestrickte
Menschen ihm das Herz öffneten, ihm vertrauten. Sie klammerten sich
offenbar nicht an das eigene Können, die eigenen Möglichkeiten,
sondern legten ihre Hände vertrauensvoll in Jesu Hand, ließen
sich von ihm anleiten, dem Vater im Himmel alles zu sagen, was sie bewegte.
Ihnen öffnete Jesus die Tür zu Gott, Gott war nicht länger
unerreichbar weit weg, sondern wurde sichtbar in Jesus.
Nach diesem Dankgebet wandte
sich Jesus um und sah die Leute, die ihm auf die Anhöhe gefolgt waren.
Er nahm ihr Bedürfnis nach Ruhe und Entlastung wahr und rief ihnen
zu:
Matthäus 11,28-30
Kommt zu mir, ihr alle,
die ihr euch abmüht und belastet seid! Bei mir werdet ihr Ruhe finden.
Nehmt das Joch auf euch, das ich euch gebe. Lernt von mir: Ich meine es
gut mit euch und sehe auf niemanden herab. Dann wird eure Seele Ruhe finden.
Denn mein Joch ist leicht. Und was ich euch zu tragen gebe, ist keine Last.
Jesus hat Menschen im Blick,
die an ihrer Alltagssituation zu tragen haben. Ich stelle mir vor, wie
jemand ein Joch auf den Schultern trägt. Ein Joch ist eine Stange,
mit deren Hilfe man links und rechts angehängte Lasten leichter tragen
kann. In einem Eimer, der an der Stange hängt, kann der ganz normale
alltägliche Wahnsinn dieser Tage enthalten sein, Kinder zuhause beschulen,
Homeoffice, Haushalt. Vielleicht ist ein Eimer schwer vor Kummer oder Sorge
um einen lieben Menschen. Vielleicht wiegt eine Verletzung des Körpers
oder der Seele schwer. Vielleicht trägt jemand zu viel Verantwortung
und bricht unter der Last fast zusammen. Die Eimer rechts und links können
randvoll sein und nur noch einen gebückten Gang zulassen.
Jesus sieht die Sehnsucht
einer schwer tragenden Person, das Joch abzuwerfen, die Probleme gelöst
zu bekommen und die Zusage zu erhalten: Alles wird gut!
Wenn wir selbst uns gerade
so fühlen, ruft Jesus uns zu: „Kommt her zu mir!“ Er schenkt die Aussicht
auf Erholung, Ruhe, eine Atempause.
Ruhe finden
Jesus lädt die Menschen
um sich ein, auf der grünen Wiese zu lagern. Vielleicht fließt
noch ein Bächlein hindurch, erquickt das klare Wasser und beruhigt
die aufgewühlte Seele. Auf der Wiese gibt Jesus die Aufgabe loszulassen:
-
Meine Pläne: Ich habe
ziemlich genau im Kopf, wie der Weg für mich und mein Aufgabengebiet
weitergehen soll. Nicht immer, so wie gerade in Corona-Zeiten, gelingt
es, den Plan einzuhalten. Das führt zu Spannungen und Stress. Jesus
sagt mir, dass ich meine Pläne auf der Wiese ablegen kann. Es geht
jetzt nicht darum, Ziele zu erfüllen oder Ansprüchen gerecht
zu werden. Ich darf ausatmen, mich in Jesu Gegenwart frei fühlen,
geborgen.
-
Meine Schuldscheine: Manchmal
liegen in einem mitgetragenen Eimer nicht eingelöste Schuldscheine.
Da wird gesammelt, was jemand mir angetan hat, was sie mir schuldig geblieben
ist, Entschuldigungen, auf die ich ewig warte. Die Schuldscheine wiegen
schwer. Und sie sammeln sich an. Jesus will mir diesen Eimer abnehmen.
Er fordert mich auf, die Schuld anderer mir gegenüber mal zu vergessen
und darauf zu achten, was Jesus mir Gutes tut. Wenn ich auch die Entschuldigung
der anderen nicht bekomme, Jesus heilt diesen Schmerz.
-
Meine Ängste: Wohl niemand
ist frei von Ängsten. Wir haben Angst zu versagen, Angst zu sterben,
Angst, dass jemand in unserem Umfeld etwas geschieht, Angst vor morgen,
Angst vor Veränderung und Angst vor Stillstand. Fast alles kann Angst
machen. Angst bewahrt uns vor Übermut und schützt, aber Angst
kann auch zum Gefängnis werden, das uns festhält und unseren
Lebenskreis immer enger werden lässt. Jesus fordert uns auf, in seiner
Gegenwart die Ängste abzugeben. Sie fahren zu lassen und zu vertrauen,
dass uns hier in diesem Moment nichts passieren wird. Jesus ist unsere
Sicherheit, und er sagt uns ganz direkt: „Hab keine Angst!“
Nun bin ich auf dieser Wiese,
das Joch habe ich abgelegt, die Eimer drücken mich nicht mehr zu Boden.
Ich darf ausruhen. Ich muss nichts anderes tun, als zu atmen, hier zu sein,
die Nähe Jesu zu genießen.
Wie sieht das nun praktisch
aus? Ich habe mich selbst beobachtet und entdeckt, wie und wo für
mich dieses Ausruhen besonders gut stattfindet.
-
Ausruhen ist für mich
oft mit Essen verbunden. Ich liebe es, Zeit zum Essen zu haben, es zu genießen
und dabei zu erleben, wie ich entspannen kann. Jesus ist mit am Tisch.
Er schenkt mir die Atempause. Er lenkt Gespräche beim Essen. Er lässt
auch Pausen nicht peinlich sein. Er gibt mir, was ich gerade brauche, neue
Energie, ein Duft, der mein Herz erreicht, Fülle, die mich satt werden
lässt.
-
Ich erlebe das Loslassen beim
Laufen. Der Rhythmus der Bewegung, die Eindrücke, manchmal gute Gespräche,
wenn jemand mitläuft, neue Inspiration, wenn ich auf irgendetwas Besonderes
am Wegrand aufmerksam werde. Das hilft mir, die Eimer des Alltags abzugeben,
ein bisschen Freiheit zu genießen.
-
Für viele an der ersten
Stelle steht die Musik. Sich in Lieder oder Musikstücke hineinfallen
zu lassen, sie mitzusingen, sie einzuatmen, lässt die Seele mitschwingen.
Der Kopf und das Herz werden frei, sie bekommen einen neuen Rhythmus. Nicht
„du musst, du sollst“ gibt den Takt an, sondern „du bist geliebt, du darfst,
ich helfe dir“.
-
Ich genieße die Stille,
dass mal keiner was sagt oder meint, dass ich mich auf nichts konzentrieren
muss, sondern einfach sein kann – welch köstliche Erholung nach einem
langen Tag. Da kommt mir Jesus als Partner so nahe. Ich fühle mich
von ihm umgeben, angeschaut, geliebt.
-
Ich lese gerne gute Texte,
die mir zu Herzen gehen. Sie bringen mich auf neue Fährten, helfen
mir, die eigenen Themen hinter mir zu lassen, machen mich neugierig, was
noch so auf mich wartet. Sie locken mich weiterzugehen.
Mag sein, Sie finden sich
bei einem oder mehreren Punkten wieder. Jede, jeder hat sicher eine andere
Reihenfolge und noch mehr Punkte, wie er, sie am leichtesten Ausruhen auf
der Wiese erlebt. Es kommt nicht darauf an, eine besonders originelle Art
und Weise zu finden, nur, diese Wiese aufzusuchen auf welchem Pfad auch
immer und auszuatmen. Denn so werden wir Kraft tanken, um den nächsten
Schritt zu gehen.
Das Joch Jesu aufnehmen
Fast verstörend spricht
Jesus nun von seinem Joch, das er uns auflegen will. Ist es womöglich
noch schwerer als das, das wir gerade ablegt hatten? Hören wir nun
aus Jesu Mund die „Du sollst!“-Gebote, die das Leben so anstrengend machen?
Ich sehe das Joch, von
dem Jesus hier redet, nicht als die Schulterstange, die jeder selbst trägt,
sondern als ein Doppeljoch. Das war ein Zuggeschirr für die Landwirtschaft.
Zwei Ochsen wurden mit einem Doppeljoch verbunden und zogen nun gemeinsam
an einem Pflug. Das machte das Ziehen für sie so viel leichter. Jesus
legt uns ein solches Joch auf, das er selbst mitträgt. Er nimmt uns
unsere Eimer nicht einfach ab und kippt sie aus. Unsere Lebenserfahrung
sagt uns, dass die Probleme nach dem Ausruhen nicht einfach verschwunden
sind. Unsere Pläne ploppen bald wieder auf, Schuldscheine rascheln
und Ängste kehren wieder. Doch wir sind mit allem nicht mehr allein
unterwegs. Jesus trägt mit daran. Er leistet uns Gesellschaft, wenn
wir vor Angst kaum atmen können und spricht uns gut zu. Er lässt
unsere Pläne in seinem Licht erscheinen, vorläufig und von Gottes
Güte abhängig. Er heilt unsere Schmerzen und lässt uns Schuldscheine
zerreißen.
Doch Jesus bindet uns nicht
ungefragt in sein Zuggeschirr ein. Wir können uns entscheiden. Wollen
wir, dass Jesus mitträgt, oder wollen wir allein die Eimer unseres
Lebens weiterschleppen?
Entscheiden wir uns, Jesus
mittragen zu lassen, wird er unseren Weg verändern. Wir schauen in
seine Richtung, wir lernen von ihm. Er wird uns den Blick für unsere
Nächsten schenken, wie er ihn hat.
Vielleicht lehrt uns gerade
diese Zeit etwas Wichtiges. Wir tragen im Alltag Mund-Nasen-Schutz. Viele
von uns lieben das gar nicht, es behindert uns auch beim Reden. Aber vielleicht
ist gerade das Jesu Schule für uns: dass wir sehen lernen wie er,
dass wir hören lernen wie er, dass wir zuhören und nicht dauernd
von uns selbst reden. So werden wir aufmerksamer für die Zwischentöne
der anderen, zu denen Jesus uns schickt, und offener für die Wege,
die Jesus mit uns gehen will.
Atempausen haben wir so
nötig. Wir dürfen zu Jesus kommen, unsere Lasten ablegen, tief
ausatmen und frei werden, um voller Freude und Zuversicht mit Jesus den
Weg fortzusetzen.
Der HERR ist mein Hirte.
Mir fehlt es an nichts. Die Weiden sind saftig grün. Hier lässt
er mich ruhig lagern. Er leitet mich zu kühlen Wasserstellen. Dort
erfrischt er meine Seele. (Psalm
23,1-3)
Cornelia
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