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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Mitte der Reformation war Luthers Erkenntnis, dass dem verlorenen, von Gott getrennten und schuldig gewordenen Menschen der rettende und wieder zurecht bringende Gott in Jesus Christus entgegen kommt. Das „Wie“ der Rettung beschrieb Martin Luther mit einem vierfachen „allein“:
Römer 3,21-26 „Nun aber!“, wie ein Fanfarenstoß weist Paulus auf das Welt verändernde Ereignis hin, das von den Schriften des Alten Testaments angekündigt wird. Alle Menschen sind Sünder, aus dem Paradies heraus gefallen, getrennt von Gott lebend, Gottes Willen haben sie nicht im Herzen. Und die Menschen werden gerettet durch Jesus Christus, nur weil Gott es so will, nicht weil Menschen es verdient hätten. Die Worte des Paulus führen uns vor Gottes Thron. Es ist, als wolle uns Paulus aus unserem Alltag locken zu diesem Ort der Gottesnähe. Wenn wir uns darauf einlassen, uns locken lassen, werden wir Erstaunliches erleben. Denn erstmal kommen wir gar nicht bis vor Gottes Thron, wo Licht, Wärme, Geborgenheit uns umfangen werden, sondern wir bleiben vor der Tür stehen. Dort sehen wir mit großer Deutlichkeit unsere Gottestrennung, all die Situationen, in denen wir nicht nach Gott gefragt, ihn abgewiesen und weggedrückt haben. Manche, die eine Nahtoderfahrung machten, erzählen davon, wie ihr Leben wie ein Film abspulte, auch gerade die Situationen, die ihnen Beschwer machten, die sie schon längst vergessen und verdrängt hatten. So stehen wir an der Tür zu Gottes Thron und werden konfrontiert mit unserer Unfähigkeit, mit Gott in vertrauensvoller Gemeinschaft zu leben. Hier allerdings ist der Ort der Heilung. Gott zeigt auf den Herd aller unserer Krankheiten, doktert nicht an Symptomen herum, wie wir es oft genug tun, verteilt keine Pflaster, sondern setzt beim Herd an, bei der Gottesbeziehung. Die Krankheitssymptome von modernen Menschen heute unterscheiden sich sicher von denen der Mittelalter-Menschen zur Zeit Martin Luthers. Wir kennen Lebensgefühle wie sich ungeborgen oder sogar auf der Flucht fühlen. Mancher sucht verzweifelt nach einem Sinn für sein Dasein. Manche wird mit dem Erwartungsdruck anderer nicht fertig, ist unzufrieden mit ihrem So-Sein. Diese Symptome gehören zum Krankheitsbild des Menschen, der die Bindung an Gott verloren hat, sich haltlos und ungeliebt fühlt und eine dicke Leerstelle im Leben hat, wo eigentlich Gott wohnen will. Der Ort vor Gottes Thron ist ein Ort der Kehrtwende und Heilung. Wer diesen Ort meidet, dem fehlt Gottes Perspektive auf sein Leben. So gibt es auch zwei große Lager, die sich in der Beurteilung des Menschen an sich diametral gegenüberstehen. Bei einer Umfrage, die ich vor Kurzem im Radio verfolgte, wurden diese beiden Lager bestens bedient. Die einen sagen, der Mensch ist von Natur aus gut, die anderen, der Mensch ist durch und durch schlecht. Beide sind leicht widerlegbar. Kein Mensch ist nur gut, keiner nur schlecht. Die meisten Menschen bemühen sich, aus Fehlern zu lernen, sich zu bessern. Doch verbessern wir uns wirklich? Haben wir an der einen Stelle Erfolg, so bricht uns eine andere wieder weg. Vor Gottes Thron brauchen wir nicht mehr nachzudenken über Besserung und Erfolg unseres Bemühens. Da stehen wir, wie wir sind, mit leeren Händen vor Gott. Ähnlich erlebten es Mose, Jesaja, Petrus und der Zöllner im Tempel, als sie Gott bzw. Jesus begegneten. Sie beriefen sich nicht auf ihre wunderbaren Besserungen oder ihr Gutsein an sich, sondern erkannten: Ich bin ein von Gott getrennter Mensch und darf mich Gott nicht nähern. In seinen Memoiren beschrieb ein Schwerverbrecher, wie er seinen Strafvollzug erlebte. Für ihn das erschütternste Erlebnis war, als ihm am Eingang der Justizvollzugsanstalt seine ganze Habe, auch die kleinsten Gegenstände, abgenommen wurden. Er musste seine Kleidung ablegen und war nackt und bloß, bevor ihm die Anstaltskleidung gegeben wurde. Diese Situation ist vergleichbar mit der Konfrontation des Menschen vor Gottes Thron. Alles muss er abgeben, alles wird ihm aus der Hand genommen. Doch „nun aber“ geschieht Welt Bewegendes. Ihm wird Jesus in die Hand gegeben, der kostbare Schatz im Acker, für den es sich lohnte, alles, aber auch wirklich alles hinzugeben. Denn was vorher wie ein wertvoller Schatz aussah, wirkt jetzt wie eine Playmo-Schatzkiste aus dem Piratenboot. Gott wird uns nicht nackt stehen lassen. Er wird uns einkleiden mit einem Festgewand wie den verlorenen Sohn. Unsere Anstaltskleidung trägt er selbst ans Kreuz, unsere Strafe hat er stellvertretend für uns alle am Kreuz ausgelöst. Wir können in den Festkleidern des Heils frei sein für eine neue Beziehung zu Gott, in der wir gehalten, geborgen, zuhause sind, in der wir Hoffnung und Zukunft haben und nie mehr allein sind. Paulus erklärt den Römern, die wohl alle vertraut mit dem jüdischen Glauben waren, die Zusammenhänge in ihrem Verstehenshorizont. Uns ist er weitgehend fremd geworden. Paulus entlehnt das Wort Sühne aus dem Kontext des Jom-Kippur-Tages, des großen Versöhnungstages, der in 4.Mose 16 beschrieben wird. Im Allerheiligsten, auf der goldenen Deckplatte der Bundeslade wird der Wohnort Gottes auf Erden vorgestellt. Einmal jährlich bringt der Hohepriester ein Opferlamm ins Allerheiligste, auf dem die Sünden des ganzen Volkes ruhen. Sein Blut wird gegen die Bundeslade gegossen, um zu symbolisieren, dass die Sünden des Volkes Gott hingegeben sind und er vergibt. Jesus, so überträgt Paulus, hat sich als Gottes Sohn, von Gottes Seite her, mit den Sünden der ganzen Menschheit identifiziert. Er hat sie durch seinen Tod Gott hingegeben, und Gott hat sich durch seinen Sohn mit sich selbst versöhnt (so auch 2.Korinther 5,18). Keine weiteren Opfer sind mehr nötig, Gott hat die Tür zu seinem Thron von innen aufgeschlossen. Das einzige, was wir dazu beitragen können, ist, dieses Geschenk anzunehmen und durch die Tür zu gehen. Glaube ist keine Leistung mehr, dass man etwas wissen muss, das im Himmel abgeprüft wird, sondern reines Vertrauen, Sich-Fallen-Lassen in Gottes Hände. Welche Entlastung bedeutet das für unseren Alltag:
Der Reformationstag heute lässt uns innehalten. Jesus will uns seinen kostbarsten Schatz schenken, seine Nähe für Zeit und Ewigkeit. Wir können die Schätze, die vor Gott nicht zählen, dafür getrost aus der Hand legen. Dieser Sonntag möge für uns alle ein Fest sein zum Atemholen und Kraft Schöpfen, denn Er hat alles für uns getan, dem ist nichts hinzuzufügen. Und wer jetzt findet, dass doch noch etwas fehlt, nämlich wie der Beschenkte nun mit diesem Geschenk im Alltag umgeht, wie er oder sie seinen Glauben lebt, der sei vertröstet auf die nächsten Sonntage. Heute, am Reformationstag, sei es gestattet, ganz einseitig Gottes alleiniges Aufschließen der Himmelstür zu thematisieren. Zu groß ist die Gefahr, dass wir dann doch wieder etwas zu Jesus hinzufügen, und sei es unser perfekter Glaube. Gott beginnt neu mit uns, dafür muss er das alte Haus komplett abreißen, aber es lohnt sich, der Mann im Gleichnis Jesu verkaufte alles, um den Schatz im Acker zu bergen. Matthäus 13,44 Cornelia
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